Der heutige Text stammt aus der Kategorie „Glaub‘ nicht allen Blödsinn, den man dir als junge Frau einredet“. Gestern trank ich mit meiner Freundin, ich nenne sie Cara, ein Glas Wein und sprach mir ihr darüber, wie viel Quatsch man uns vermittelt hat, als wir jung waren. Zum Beispiel, dass Frauen im Alter hässlich werden. Frauen könnten maximal so lange schön sein, wie sie fruchtbar seien. Aber das müsste ja heißen, dass wir beide, die wir mit Ende vierzig und Anfang fünfzig nicht mehr in der Lage sind, Kinder zu kriegen, grandios hässlich sind.
Wir prosteten uns zu und lachten herzlich. Weil wir uns kein bisschen hässlich fanden. Im Gegenteil. Wie wir so dasaßen, Wein tranken und Käse aßen, fanden wir uns wunderbar schön. Und das lag nicht am Wein. Was mein damaliger Freund mit Anfang zwanzig behauptet hatte, dass Frauen bis 25 wunderschön wären und danach immer hässlicher würden, stimmte vorn und hinten nicht.
Zum einen war ich damals nicht wunderschön. Ich war jung. Und hatte noch ein wenig Babyspeck im Gesicht und wenn ich lachte, bekam ich runde Bäckchen. Auf den wenigen Fotos von damals – es gab noch keine Handyselfies – sieht man, dass ich beim Lachen manchmal den Mund zusammenkniff, so, als traute ich mich noch nicht, breit zu grinsen oder laut zu lachen.
Gucke ich heute in Spiegel und lache, sehe ich ein paar Falten und jede Menge graue Haare, aber ein Lachen, dass alles rockt. Es kommt von innen und strahlt über das ganze Gesicht. Es ist nicht da obwohl, sondern weil ich schon jede Menge Leben erlebt habe; sehr viel Schönes und auch ganz viel Trauriges. Betrachte ich mein Lachen genauer, erkenne ich sogar, dass es genau deshalb so leuchtet, weil ich Trauriges erlebt habe und weil ich dankbar bin, jetzt hier und am Leben zu sein.
Dieses Lächeln bewirkt, dass ich schön bin. Genau wie meine Freundin Cara. Auch sie hat ein Lächeln, in dem sich Trauer und Freude die Hand reichen. Auch aus ihrem Gesicht strahlt die Gelassenheit, die entsteht, wenn man erfahren hat, dass nach Tälern wieder sonnige Höhen kommen und umgekehrt, und dass man beides überlebt.
Natürlich hatte ich die Erkenntnis, dass mein Exfreund damals Unsinn von sich gegeben hat, nicht erst heute. Aber ich wollte sie hier und heute noch mal festhalten. Weil es immer noch jede Menge junge Frauen gibt, die glauben, irgendwann würden sie unweigerlich hässlich.
„Oder sprach er vom Körper und nicht vom Gesicht?“, vergewisserte ich mich zur Sicherheit bei Cara. Cara und ich waren inzwischen beim Sherry. Wir guckten uns an. „Also, mein Bauch zum Beispiel ist schwabbelig“, sagte ich und griff an meinen Bauch. Cara zuckte mit den Achseln und griff an die Speckrollen an ihrem Bauch. „Meiner auch. So what.“
Wir guckten uns an und wussten, dass ein schwabbeliger Bauch vollkommen belanglos ist. Uns war klar wie Sonnenschein, dass wir zwei mittelalten Schachteln schön sind. Wir hatten einander nicht schön getrunken, wir waren es.
„Und abgesehen davon hatte ich nie besseren Sex als jetzt mit Anfang fünfzig“, sagte Cara.
Heike Müller
Ihr sprecht mir aus der Seele und meinem Herzen! Eva, du hast genau die richtigen Worte gefunden!
Ganz liebe Grüße, Heike
Eva Baches
Liebe Eva,
ein super Text! Ich muss sagen, mit Anfang 40 sehe ich das genauso! Man was habe ich Schiss gehabt vor der „bösen“ 4. Aussagen, wie ab 35 geht alles Bergab und wie fühlst du dich denn jetzt mit 40? tangieren mich jetzt gar nicht mehr! Meine Falten sind Lachfalten oder auch, wie du schreibst, Ausdruck eines Lebens mit allen Höhen und Tiefen und das gehört dazu!