Heute, am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, geht’s wieder um die Arbeit. Wer auf die Straße geht, demonstriert für bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen. Die sind im neoliberalen Klima, das wir weltweit haben, in den letzten Jahrzehnten nicht besser geworden, teilweise eher schlimmer. In vielen Fällen hat bezahlte Arbeit mehr mit Sklaverei zu tun als mit regulärer Arbeit. Für eine Sorte von Arbeit geht an diesem Kampftag traditionellerweise keine Gewerkschaft auf die Straße: für die Arbeit von Müttern. Deren Arbeit besteht unter anderem darin, neue Menschen zur Welt zu bringen und aufzuziehen. Das ist für das Überleben der Menschheit, und damit auch für die Wirtschaft, nicht ganz unerheblich, ohne Nachschub an Menschen gäbe es uns alle nicht. Diese „Reproduktionsarbeit“ ist ungeheuer aufwändig: Neue Menschen landen nach neun Monaten Schwangerschaft und einer mitunter lebensgefährlichen Geburt als hilflose und hilfsbedürftige verschmierte Bündel auf der Erde. Man muss sie saubermachen, wickeln, trösten, säugen und Bäuerchen machen lassen. Das ist emotional erfüllend, aber für die Frauen, die die Schwangerschaft zu hundert Prozent übernehmen und vom Aufziehen einen großen Teil, wenn nicht ebenfalls alles, unfassbar anstrengend.
Kinderkriegen ist Arbeit. Unentlohnte Arbeit
Ein mütterlicher Leib, der in sich einen neuen Mensch heranwachsen lässt, ist okkupiertes Land. Die mütterlichen Hormone, ihre Stimmung, ihre Körperformen – alles ordnet sich dem Ziel unter, aus einem mikroskopisch winzigen Zellklumpen ein dreieinhalb Kilo schweres Menschlein heranwachsen zu lassen. Und hat der mütterliche Körper dieses Wesen unter einem Tsunami von Schmerz- und Glückshormonen, Schreien, Scheißen, Blut und Stöhnen ausgeschwitzt, sind es die Mütter, deren Körper und Gemüt weiterhin okkupiert sind. Die Hormone spielen weiterhin Achterbahn. Der Geburtstrakt muss wieder zusammenwachsen, die Brust, wenn die Frau stillt, muss sich an den kleinen Vampir gewöhnen. Das Gehör ist darauf ausgerichtet, das kleinste „Miep“ des Neugeborenen zu hören. Ich kenne eine Mutter, die sich ihr Frühchen monatelang 18 Stunden täglich auf die Brust band. So ebnete sie ihm mit ihrer Wärme und ihrem Herzschlag den Weg ins Leben.
„Care is Work“, Die MIAs
Zunehmen geben sich Frauen und Mütter nicht mehr damit ab. Ein Beispiel ist die Initiative MIA.
Du gehörst zu meinem Stall
Diese Leistung gibt’s in unserer patriarchalisch geprägten Gesellschaft gratis. Genau genommen gehört die Leistung der kapitalistischen Wirtschaft, in der der Besitz von Geld mit Eigentumsrechten gleichgesetzt wird. In einer traditionell patriarchalen Sichtweise gehört die Frau dem Mann. Genau wie die Milchkühe, die Sauen, die Hennen und die Arbeitsbienen. Das romantische „Du gehörst zu mir“, heißt wirtschaftlich betrachtet, „du gehörst mir.“ Zivilrechtlich war dieses „mir Gehören“ auch in Deutschland lange Zeit durch Erbregeln abgesichert, die das Eigentum der Frau mit der Heirat in das Eigentum des Ehemann verlagerten. Wollte die Frau ihre Arbeitskraft nicht dem Haushalt zur Verfügung stellen, sondern gegen Bezahlung dem Arbeitsmarkt, konnte der Ehemann seine Erlaubnis verweigern. Dass das vorbei ist, ist noch nicht lange her.
Mütter machen sich abhängig und arm
Was sich nicht geändert hat, ist, dass das Gebären und Aufziehen von Kindern keine eigenständig wirtschaftlich gewertschätzte Leistung ist. Eine Frau kann sieben Kinder gebären und aufziehen, wenn niemand anders für sie Geld bezahlt, hat sie kein Einkommen und ist arm. Und am Ende eines langen harten Arbeitslebens steht sie mit einer Winzrente da. Kindergeld ist kein Müttergehalt, sondern rd. 200 Euro monatlich für die Kinder. Was die Gesellschaft Müttern anbietet, um nicht arm zu sein, ist ein Abhängigkeitsverhältnis von einer Ehe, die immer öfter vor dem Lebensende zerbricht, wenn sie denn überhaupt existierte.
Das heißt, Mutter zu werden, heißt, abhängig zu werden von einem Ehepartner oder Partner, der für sie mitverdient und mitbezahlt. Fällt mit dem Ende der Partnerschaft der Beitrag des Ehepartner weg, bleibt die Mutter abhängig. Sie ist auf Unterhaltszahlungen angewiesen. Falls der Ehepartner nicht zahlt, weil er nicht kann oder will, auf einen Unterhaltsvorschuss vom Jugendamt.
Alice Schwarzer und ein Teil der Feministinnen der 2. Frauenbewegung in den Siebzigerjahren wandten sich gegen ein Müttergehalt. Ihr verständliches Argument war, dass es die Frauen zuhause am Herd halten würde und ihnen den Eintritt in den bezahlten Arbeitsmarkt verwehren würde. Mit dem Argument, es sei eine Herdprämie, lehnte die Linke das von CDU/CSU und FDP 2012 eingeführte Betreuungsgeld von 100 Euro monatlich ab.
Die Zeiten haben sich geändert. Frauen sind im bezahlten Arbeitsmarkt angekommen. Kinderlose Frauen haben Karrieren, die denen von Vätern gleichen. Alleinerziehenden Müttern fällt das schwer. Unfassbar viele von ihnen reiben sich zwischen Kinderkriegen, Kindergroßziehen und Erwerbsarbeit auf. Natürlich schaffen sie das irgendwie. Frauen sind zäh. Und natürlich beteiligen sich immer mehr Männer am Thema Kinderaufziehen. Das löst das Problem der mangelnden Wertschätzung für das Kinderkriegen/Kinderaufziehen/Reproduktionsarbeit nicht. Ich denke, es ist Zeit, neu über ein Müttergehalt nachzudenken. Die berühmte Silvia Federici spricht von der unvollendeten feministischen Revolution.
Ein Müttergehalt würde Frauen unabhängig machen. Es würden Frauen in einer gewalttätigen Beziehung ermöglichen, zu gehen. Wie viele Frauen mit Kindern verharren in einer Beziehung, obwohl es unerträglich ist, allein aus dem Grund, dass sie befürchten, sonst in Armut abzurutschen?
Ein Müttergehalt muss – wie auch immer man das ausgestaltet – den Wert berücksichtigen, den es für die GEsellschafts hat, ein Kind zu bekommen.
Pervertiertes Müttergehalt für „Leihmütter“
Eine perverse verdrehte Form von „Müttergehalt“ ist die Leihmutterschaft. Hier wird Kinderkriegen schlagartig zu einer zu entlohnenden Leistung, weil Agenturen Profit daraus schlagen können. Das Konstrukt der Leihmutterschaft „wertschätzt“ das Austragen eines Kindes, indem es es zur Dienstleistung macht. Übrigens zu einer verdammt mies bezahlten Dienstleistung.
Beispielrechnung
In-vitro-Fertilisation 5.000-40.000 € +
Zusätzliche Techniken 3.000-15.000 € +
Leihmutteragentur: 8.000-30.000 € +
Rechtliche Vertreter (Bestimmungsland): 6.000-9.000 € +
Finanzielle Entschädigung an die Leihmutter: 10.000-40.000 € +
Sonstige Ausgaben (Reisen, unvorhergesehene Fälle, inländische Anwälte, Versicherung, Treuhandkonto….): 10.000-30.000 € +
GESAMT: 50.000-180.000 €
Was bleibt für die Mutter übrig?
Die Grafik zeigt, dass Frauen sich ein Einkommen verschaffen können – als schlecht bezahlter Brutkasten. Von den 50.000-180.000 Euro, die ein reiches westliches Paar z.B. einer jungen Ukrainerin bezahlt, landen 10.000 Euro bei der Frau. Ist das Kind behindert und nehmen die „Pseudoeltern“ es nicht ab, bleibt sie ohne Entschädigung auf dem Kind „sitzen“. Das ist die schlimmste Form von Ausbeutung, die man oder frau sich vorstellen kann.
Das sieht man am Stundenlohn. Bei 9 Monaten Schwangerschaft gleich 30 Tage mal 24 Stunden ergeben sich 6.480 Stunden Schwangerschaft. Teilt man die 10.000 Euro 6.480 Stunden Schwangerschaft, ergibt das einen Brutkasten-Stundenlohn von 1,54 Euro. Das ist als Arbeitslohn ein Witz. Nicht bezahlt ist die Geburt. Hier müsste eigentlich eine Schmerzprämie für die Geburt hin zu gerechnet werden. Außerdem eine Absicherung, falls die Frau bleibende Schäden von der Geburt zurückbehält. Doch davon liest man nichts. Vom Eizellfarming als weiterer pervertierter Form der „Bezahlung“ für mütterliche bzw. weibliche körperliche Fähigkeiten will ich hier gar reden.
Das Beispiel zeigt, dass wir etwas ändern müssen. An der Wertschätzung von Müttern und an der Wertschätzung der mütterlichen Leistung. Die Zeit spricht von Streik. Davon haben alle was.
Ist Gebärstreik die einzige Alternative?
Auf Facebook kommentierte eine Frau, dass Frauen, die Kinder bekämen, ja selbst die Verantwortung für ihre Entscheidung trügen. Nach dem Motto, „selbst schuld“, du wusstest ja, was dich erwartet.“
Ganz ehrlich? Solange wir in dieser Kultur leben, ist es unverantwortlich von Frauen,die nicht finanziell auf eigenen Beinen stehen können, Kinder zu kriegen. […]Sie tragen selbst Verantwortung dafür, ja. Dass Ihre Situation blöd ist, stelle ich nicht in Abrede, aber warum sie immer wieder denselben Fehler machen müssen, erschließt sich mir offengestanden nicht.Allerdings bekommen 30%der jungen Frauen keine Kinder mehr. Das halte ich für sehr vernünftig.
Frau auf Facebook
Ich antwortete, „es muss möglich sein, Kinder zu bekommen und von der Gesellschaft zu verlangen, dass sie sich an den Kosten beteiligt.“
Wie seht ihr das?
Lesetipps:
Aufstand aus der Küche (Silvia Federici): https://www.amazon.de/Aufstand-aus-K%C3%BCche-Reproduktionsarbeit-feministische/dp/3942885328
https://kirstenarmbruster.wordpress.com/tag/muetterarmut-in-deutschland/
„DAS würdest du verdienen, wenn es ein faires Müttergehalt gäbe“ https://www.echtemamas.de/das-wuerdest-du-verdienen-wenn-es-ein-faires-muettergehalt-gaebe/
„Wahnsinn! So viel müssten Mütter eigentlich verdienen“ aus Instyle 2019 https://www.instyle.de/lifestyle/muetter-eigentlich-verdienen
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