Habe gestern mit einem Freund zusammengesessen und zwischen den 4 Toren, die Liverpool gegen Barcelona geschossen hat, über Politik geredet. Genauer: Über unternehmerische Freiheit und staatliches Eingreifen. Sein Credo: Staatliche Umverteilung ist Kommunismus und Vergesellschaftung von Unternehmen ist ein Eingriff, der jeden Anreiz auslöscht, unternehmerisch tätig zu sein.
Ich warf ein, dass wir mehr Staat brauchen, nicht weniger. Schließlich braucht ein Gemeinwesen und im übrigen jedes Unternehmen eine gute Infrastruktur brauche, die nun mal von der Gemeinschaft und reguliert vom Staat, bereitgestellt würde. Außderdem bräuchten Unternehmen gute Mitarbeiter, die eine gute Erziehung und Ausbildung oder gar ein Studium genossen hätten, um zu kreativen, leistungsbereite Persönlichkeiten zu werden, die arbeiten könnten.
Das sei ja durch die Steuern abgegolten, fand er. „Dafür zahlen Unternehmer ja Steuern und zwar ziemlich hohe. Vor allem in absoluten Zahlen sind das hohe Beträge“, sagte er. Damit was das Thema damit für ihn erledigt.
Dass unsere kapitalistische Wirtschaftsordnung aus der Balance geraten ist, weil die Unternehmen immer größer geworden sind, und Überproduktion und Verschwendung die Grundlagen unseres Lebens bedrohen, ist für ihn ein Randaspekt, der mit freiem Unternehmertum nichts zu tun hat.
Er und all diejenigen, die derzeit über Kevin Kühnert und seine Überlegung zur Vergesellschaftung von Unternehmensvermögen entsetzt sind, hängen noch zu sehr dem alten Credo der FDP an. Ich habe nh Guido Westerwelle im Ohr, der seinerzeit mit Schaum vorm Mund geiferte, dass zu viel Staat den Wettbewerb zerstöre und dass es fatal sei, wenn sich „Leistung nicht mehr lohnt“.
Schnee von gestern. Längst ist mehr Eingreifen und mehr Regulierung durch Staaten notwendig, um Freiheit und Wettbewerb und im übrigen uns alle zu retten. Die Deregulierung hat Monopole oder Oligopole ermöglicht, die Märkte beherrschen, in denen überhaupt keine Freiheit und kein Wettbewerb mehr herrschen.
Wenn sich diese neuen Marktbeherrscher politisch betätigen, wird’s unfrei für alle. Und als erstes müssen die Schwächsten dran glauben, die sich nicht wehren können. Die Frauen, die Armen, die Natur.
Das lässt sich an der Wahl des Multimillionärs Trump ablesen. Wie nach der Wahl bekannt wurde, hatte der Wirtschaftsmulti Facebook mit Hilfe von Cambridge Analytica das Wahlverhalten vieler Amerikaner zugunsten Trumps manipuliert. Spiegel Online im März 2018:
„Nach übereinstimmenden Berichten der „New York Times“ und des „London Observer“ hat die Firma Cambridge Analytica sich unerlaubt Zugriff auf rund 50 Millionen Facebook-Profile verschafft und die privaten Daten genutzt, um eine Software zu entwickeln, die Donald Trump bei seinem Präsidentschaftswahlkampf im Jahr 2016 unterstützte.“
Wer muss unter der Wahl Trumps leiden? Die Armen, die Frauen, die Immigranten, die Natur.
Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass eine Million Arten vom Aussterben bedroht sei, Vögel, Insekten, Säugetiere. Eine Folge des zügellosen Raubbaus an der Natur und eine desaströse Bilanz einer kapitalistschen Wirtschaftsordnung. Spätestens jetzt nachzudenken über mehr Regulierung und über mehr gemeinwohlorientiertes Unternehmertum ist eine Frage des Überlebens. Nach weniger Staat zu rufen, wenn Staaten die letzte Instanz sind, die Heuschreckenmonster zügeln können, ist zynisch.
Welche Ansätze gibt es auf gesetzgeberischer und insbesondere steuerrechtlicher Ebene, um ungesunde Kapitalzusammenballungen in den Händen von immer weniger Menschen wieder aufzulösen? Dazu mehr in den nächsten Blogbeiträgen.
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