Ich habe mal versucht, mir klarzumachen, warum ich J.K. Rowlings auf Twitter gemachte Aussage unterstütze, dass das biologische Geschlecht Frau real sei und ob ich es für sinnvoll halte, von Menschen mit Uterus zu sprechen, und wo ich mit dem Transthema nicht klarkomme.
Die generelle Forderung von Transmenschen oder anderen aus dem Spektrum Lesbisch, Bi, Trans, Queer, Inter, also LBTQI, den Kampf gegen Sexismus gemeinsam zu kämpfen, trage ich mit. So grundsätzlich bin ich da völlig d’accord. Sexismus, also Abwertung und in der Folge Ausbeutung von Frauen und von marginalisierten Gruppen, ist ein zentrales Merkmal des patriarchalen Kapitalismus. Und grundsätzlich hilft es Frauen in ihrem Kampf gegen Benachteiligung, wenn sie sich mit allen anderen Unterdrückten verbünden. Soweit Konsens.
Ich frage mich aber, ob das Transgenderkonzept, das statt des binären biologischen Geschlechts das soziale Geschlecht ( Gender) verwenden will, bei diesem Kampf wirklich hilft und ob es teiweise nicht eher schadet. Ich mache mir dazu mal Gedanken.
Thema Hass: Transfeinde oder feindliche Transmenschen?
Was mich an der Debatte auf Twitter und anderswo auf jeden Fall stört, ist, dass erstaunlich viele Menschen (Männer?) jede Hemmung fahren lassen, wenn es darum geht, ihren Frust über tatsächliche oder gefühlte Anfeindungen raus zu lassen. Es gibt eine Website, die nennt sich Peak Trans, die gefüllt ist mit übelstens Beschimpfungen und Reaktionen von Transmenschen wegen Anfeindungen. Nach JK Rowlings Tweets tauchten solche Tweets auch gegen sie auf.
Mein Empfinden: Solch massive Kritik und solcher Hass, der sich gefühlt besonders stark gegen Frauen richtet, bekämpft Sexismus nicht, sondern zementiert die jahrtausendealte Misogynie, sprich den guten alten Frauenhass.
Transinklusive Sprache: Frau oder Mensch mit Uterus?
Als Frau, die immer mitgemeint ist, bin ich im Grund sehr für eine Sprache, die niemanden ausschließt. Bei der Forderung, die auch JK Rowling kommentiert hat, dass man „Frau“ nicht durch „menstruierende Person“ ersetzen sollte, bin ich aber zögerlich. Man kann es, aber nützt es im feministischen Kampf gegen Diskriminierung und Sexismus?
Mein Empfinden: Zu Frauen zu sagen, ihr biologisches Geschlecht sei eigentlich nicht vorhanden, ist blanker Hohn für all die Frauen, die aufgrund ihres biologischen Geschlechts und der daran anknüpfenden diskriminierenden Geschlechterrollen jahrhundertelang diskriminiert wurden und immer noch werden. Das auszusprechen, ist kein Hass auf Transmenschen, sondern erst einmal das gute Recht von Frauen.
Die Frage bleibt, ob das Genderkonzept und transinklusive Sprache wirklich dem Kampf gegen Sexismus und Diskriminierung helfen. Der Kampf der Feministen und Feministinnen richtet sich auf Gleichbehandlung und auf faire Behandlung ihrer Unterschiedlichkeiten.
1. Frauen aller Nationen und ethnischen Gruppen kämpfen seit jeher gegen Unterdrückung und für Gleichbehandlung. Sie tun das traditionell mit der Aussage, dass sie Frauen sind und als solche Menschenrechte genießen. Man spricht von Intersektionalität. Olympe de Gouge (Grundgesetz für Frauen) oder Sojourner Truth (Schwarze Sklavin „ Ain‘t I not a woman?“) und Simone de Beauvoir (Das andere Geschlecht) haben alle argumentiert, dass Frauen nicht weniger Menschen seien als Männer.
Begründet haben sie das damit, dass sich Männer und Frauen gar nicht so stark unterscheiden. Weder biologisch, noch von ihren Kräften her, noch sozial.
Vom Zellaufbau sind männliche und weiblich Körper quasi identisch
– Biologie: Was die Biologie angeht, hat man zum Beispiel herausgefunden, wie sehr sich männliche und weibliche Geschlechtsorgane bis hin zu den Zellen ähneln und dass Mann und Frau große Schwellkörper haben, Männer sichtbarer, Frauen mehr im Körper drin, aber beide groß. Das heißt, Frauen können ebenso viel Lust empfinden wie Männer, vielleicht mehr.
– Körperliche Ausdauer: Was die Körperkraft und Leistungsfähigkeit angeht, haben Frauen schon lange bewiesen, dass sie mindestens so stark, zäh und leistungsfähig sind wie Männer.
– Sozial: Frauen haben schon immer gezeigt, dass sie dieselben Geschlechterrollen einnehmen können wie Männer. Dass sie männlich durchsetzungsfähig und weiblich fürsorglich sind. Umgekehrt hat sich schon immer gezeigt, auch Männer das auch können. Und dass es für eine Gesellschaft gut ist, wenn Menschen männliche und weibliche Rollen einnehmen. Und dass es gut ist für eine Gesellschaft, wenn Menschen aufhören, sich männlich und weibliche Geschlechtsstereotype zuzuweisen, nach dem Motto „Männer weinen nicht“, doch tun sie!“ und „Frauen tragen am liebsten Rosa“, nein, nur manchmal.
Feminismus fordert: Gleicht die Nachteile aufgrund der reproduktiven Unterschiede aus!
2. Obwohl Frauen also bewiesen haben und es ständig aufs Neue beweisen, dass die Unterschiede zwischen Mann und Frau gering sind, sind Benachteiligung und Sexismus geblieben. Der Sexismus kommt übrigens immer dann besonders zum Tragen, wenn wenn Frauen einem typischen weiblichen Rollenklischee entsprechen und z.B. kurze Röcke tragen oder sich stark schminken.
Geblieben sind vor allem Benachteiligungen, die ans biologische Geschlecht, die Gebärfähigkeit und die damit begründeten Geschlechterrollen anknüpfen. Also zielt ein wichtiger Teil des feministischen Kampfes darauf, dass Frauen nicht wegen der biologischen Unterschiede benachteiligt werden dürfen, vor allem nicht wegen ihrer Fähigkeit, Kinder zu gebären. Hier zieht das Argument, Frauen wären genau gleich wie Männer, natürlich nicht. Denn reproduktionstechnisch sind sie ja gerade unterschiedlich.
Genau genommen lautet die Forderung von FeministInnen daher: Frauen sind gleich zu behandeln wie Männer, aber die Unterschiede aufgrund ihrer reproduktiven Unterschiede müssen aufgefangen werden. Es ist z.B. Versorgung in Schwangerschaft und Geburt zu leisten, und die Care-Arbeit, Kinderpflege, Haushaltsmanagement u.s.w. ist so aufzuteilen, dass nicht alleine die Frauen die Last tragen.
Dieses Ziel des feministischen Kampfes ist noch lange nicht erreicht. Gerade die einzigartige und wunderbare Fähigkeit von Frauen, Kinder zu gebären und über den dazu passenden Körper und die Geschlechtsorgane zu verfügen, ist der Ausgangspunkt zahlreicher Benachteiligungen im patriarchalen Kapitalismus.
Patriaracht: Das biologische Geschlecht begründet diskriminierende Geschlechterrollen und Nachteile für Frauen
Ausgehend von der weiblichen Fähigkeit, Kinder zu bekommen, werden Frauen in patriarchalen Gesellschaften diskriminierende Geschlechtsrollen zugewiesen. Beispiele:
- Du wirst ja eh schwanger, also kriegst du den Job oder die Beförderung nicht.
- Oder: Du hast die Kinder geboren, also kümmer dich auch um sie, und zwar ohne Geld dafür zu verlangen.
- Du bist Mutter, es ist deine Natur, dich um deinen Nachwuchs zu kümmern, wenn du das verweigerst, bist du eine Rabenmutter!
- Viele benachteiligende Gesetze knüpfen ans biologische Geschlecht und die darauf fußenden Geschlechterrollen an, etwa das absurde Verbot in Saudi-Arabien, Auto zu fahren, weil es die Fruchtbarkeit angeblich beeinträchtige.
- Teilweise wird die Fähigkeit von Frauen Kinder zu gebären, unmittelbar ausgebeutet: bei der Leihmutterschaft.
- Teilweise wird ihr weiblicher Körper mit Brüsten und Vagina in der Sexualität beziehungsweise Prostitution ausgebeutet.
- Teilweise werden Frauen in ihrer Fähigkeit, Kinder zu bekommen, diskriminierend reglementiert – etwa beim Verbot, selbst über eine Abtreibung und das Austragen einer Schwangerschaft zu entscheiden.
- Teilweise werden Föten mit weiblichem Geschlecht gezielt abgetrieben – etwa in Indien, weil daraus Frauen entstehen, die aufgrund ihrer Geschlechterrolle (riesige Mitgift etc.) als teure Last angesehen werden.
- Und so weiter.
Unterdrücker hat es noch nie interessiert, ob es eine biologische Unterscheidung womöglich gar nicht gibt
Es beseitigt diese spezifische Benachteiligung nicht, wenn TransaktivistInnen und ihre Supporter argumentieren, das biologische Geschlecht existiere eigentlich gar nicht, und die binäre Heteronormativität sei überholt. All diejenigen, die Frauen aufgrund ihres biologischen Geschlechts und der daran anknüpfenden diskriminierenden Geschlechterrollen benachteiligt haben und es weiterhin tun, ist das egal. Wenn die katholische Kirche Frauen untersagt, Weiheämter zu übernehmen, sagt sie auch nicht, dass man das biologische Geschlecht nicht exakt definieren könne. Wenn es darum geht, Frauen Rechte vorzuenthalten, war die bisherige biologische Unterscheidung in Mann und den Herrschenden immer ausreichend.
Hört diese auf Frauen bezogene Diskriminierung auf, wenn wir das binäre Konzept abschaffen und aufhören, von Männern und Frauen zu reden? Ich halte es für schwierig, die bestehenden Nachteile für Frauen zu bekämpfen, indem die signifikanten Unterschiede zwischen Mann und Frau nicht mehr berücksichtigt. Oder das Ganze verwischt, indem man sagt, „auch Männer (also Transmänner) bluten oder bekommen Kinder.“
Ich frage mich dann: Ist es für einen Kampf gegen das Patriarchat und die damit verbundene Unsichtbarmachung von Frauen erforderlich, sich als Frau sprachlich unsichtbar zu machen, um gemeinsam mit Transmenschen Seite an Seite gegen Sexismus zu kämpfen?
Führt erst das Konzept einer nicht-trans-exkludierenden Sprache zu weniger Abtreibungsverboten und Genitalverstümmelung? Bekomme ich bessere Geburtshilfe, nur weil ich transinklusiv statt von Frauen von Menschen mit Uterus rede? Für mein Empfinden entsteht hier eine Unwucht – auch wegen der Größenordnung. Nach Selbsthilfeorganisationem beanspruchen 0,1 bis 0,2 Prozent der Bevölkerung eine Transidentität. Ein Verfahren nach dem Transsexuellengesetz durchliefen in 16 Jahren 0,01413% der Bevölkerung.
Geschlechtsidentitäten werden durch äußere Umstände geprägt – warum wollen Transsexuelle sie zur Unterscheidung von Mann und Frau nutzen?
Hilft es im Kampf gegen Sexismus, wenn in Gesetzen oder förmlichen Akten der Begriff Geschlecht (englisch: Sex) durch Geschlechtsidentität (Gender) ausgetauscht werden soll?
Feministinnen wie Simone de Beauvoir haben Geschlechtsrollen und Geschlechtsstereotype schon immer als etwas sehr Variables begriffen. Der greifbare Unterschied zwischen Mann und Frau ist die weibliche Fähigkeit, Kinder bekommen zu können oder vielmehr die passende Geschlechtsorgane und den Hormonhaushalt zu haben (eine Frau bleibt Frau, auch wenn sie nie Kinder bekommen konnte, wollte oder jenseits der fruchtbaren Phase ist).
Die Geschlechtsidentität, also das persönliche und gesellschaftliche Erleben und die Denkmuster und die Gefühle, setzt darauf auf bzw. wird durch die Umgebung eingeprägt. Sie kann sich aber im Laufe des Lebens ändern, die Plastizität des menschlichen Gehirns erlaubt das. Die Geschlechtsidentität scheint mir kein so richtig klares Kriterium für eine Unterscheidung Mann und Frau zu sein. Eine Einteilung aufgrund von Geschlechtstidentitäten erscheint mir auch nicht sinnvoll, denn Menschen können ja eben eine Bandbreite von Rollen und Identitäten leben, und gerade das bereichert eine Gesellschaft.
Fehlende Trennschärfe: Ab wann ist eine Transfrau eine Frau?
Warum wollen gerade Transmenschen, die eigentlich Vielfalt propagieren, mit dem schwammigen Konzept der Geschlechtsidentität festlegen, wann sie eine Frau beziehungsweise wann ein Mann sind?
Wenn man nach der Gendertheorie davon ausgeht, dass die Geschlechtsidentität über die Frage Mann oder Frau entscheidet und nicht das biologische Geschlecht, ist sie eine Frau, ab dem Moment, wo sie sich als Frau empfindet. Beziehungsweise ein Mann, wenn er sich als Mann empfindet.
Wenn man auf die Biologie abstellt, geht der Streit los, ob eine hormonell induzierte Geschlechtsänderung, die die YX-Chromosome unverändert lässt, überhaupt zu einer Geschlechtsänderung führen kann. Transmenschen sagen: „Ja, und wenn du das infrage stellst, bist du transfeindlich.“ Ist eine Transfrau, die noch einen Penis hat, schon eine Frau sei oder noch ein Mann?
Helfen geschminkte Barbies, diskriminierende Geschlechtsstereotypen zu überwinden?
Nun habe ich das Gefühl, dass gerade Transfrauen unter Frau ein sehr eingeschränktes klischeehaftes Rollenstereotyp verstehen. Wenn eine Transfrau auf Instagram ein Foto postet, dass sie mit vollem Make-up, Push-up-BH und High Heels zeigt und schreibt, „schön, sich als Frau zu fühlen“, denke oder sage ich: „Ja, stimmt, und Chapeau für dein Styling, so gut kann ich das nicht.“
Was ich aber auch denke, ist: Frausein geht auch ohne Makeup. Und weiter frage ich mich: Helfen als Barbies gestylte Transfrauen als Bundesgenossinnen im Kampf gegen Benachteiligung und bei der Überwindung von diskriminerenden Geschlechtsstereotypen?
Oder konterkariert das Konzept von der Genderidentität unser gemeinsames Bemühen um Vielfalt nicht sogar? Wenn weibliche Geschlechtsidentät bei Transfrauen dann gegeben sein soll, wenn sie sich wie Barbies stylen, also klischeehafte Geschlechtsstereotype erfüllen, haben dann Frauen, die sich nicht stylen, keine weibliche Geschlechtsidentität mehr? Oder gelten dann kleine Jungs, die lila Einhörner lieben, nicht mehr nur als Kinder, die Einhörner lieben, sondern womöglich als Frauen im Körper noch nicht transitionierten männlichen Kindes? Beziehungsweise fragt man Mädchen, die partout kurze Haare haben wollen, ob sie sich nicht in Wahrheit als Mann fühlen.
Es ist gut, alle Menschen eine Vielfalt an Geschlechtsrollen leben zu lassen. Braucht man dafür das Konzept Transgender?
Es bereichert die Gesellschaft, allen Menschen eine Vielfalt an Geschlechtsrollen zuzugestehen, aber braucht man dafür das Konzept der Genderidentität?
Ich bezweifle, dass ein Konzept, das eine schwer zu definierende Geschlechtsidentität anstatt einem biologischen Geschlecht zur Rechtsgrundlage spezifischer Regelungen macht, hilft, a) die Rollenvielfalt und Chancengleichheit jenseits von Geschlechtstereotypen zu ermöglichen und b) Frauen im Zusammenhang mit ihrer Reproduktionsfähigkeit zu schützen.
Würde es nicht ausreichen, den Menschen, die unter einer Geschlechterdysphorie leiden, die medizinische, also hormonelle und operative Transition zum jeweils anderen biologischen Geschlecht zu ermöglichen?
Allen anderen, die sich mit ihrer jeweiligen Geschlechtsidentität nicht oder nichth ganz in Einklang fühlen, würden die Möglichkeit wahrnehmen, einer anderen Geschlechterrolle entsprechend zu leben, ohne dafür ihren rechtlichen Status zu ändern oder ihren Körper mit Hormonen zu fluten, die womöglich ihr Leben verkürzen und letzlich nur die Pharmahersteller nährt.
Warum sollen Menschen nicht frei entscheiden, ob sie außer Detlef auch noch Denise nennen und zuweilen Damenunterwäsche tragen? Dafür müssen sie aber nicht von der Gesellschaft verlangen, dass die ihr binäres Konzept hinsichtlich der biologischen Geschlechter aufgibt. Zusätzlich gibt es ja noch die Möglichkeit, sich einem dritten Geschlecht zuzuorden.
Mein feministisches-integratives Weltbild sieht so aus: Jeder Mensch darf so viel oder wenig Glitzer und Make-up tragen, wie er möchte, jeder hat das Recht auf ein selbstbestimmtes schönes Leben. Jeder Mensch darf auf dem breiten Kontinuum der Geschlechterrollen die Rollen einnehmen und ausfüllen, die ihm aufgrund seiner Vorlieben, Prägungen und Fähigkeiten am meisten zusagen, und er darf sie im Laufe seines Lebens ständig wechseln. Das kommt Frauen und Männern zugute, weil sie sich ergänzen können anstatt sich gegenseitig mit Rollenklischees einzuengen.
Was gesichert sein muss, ist, dass Frauen mit ihrer einzigartigen Fähigkeit, Kinder zu gebären, den entsprechenden rechtlichen und praktischen Schutz und die Unterstützung der ganzen Gesellschaft bei allen daraus entstehenden Konsequenzen erhalten.
Was meint ihr?
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