Edit 19.9. Der Antrag V07 hat es nicht unter die ersten zehn Anträge geschafft, wird also nicht auf der BDK abgestimmt. Von 4.375 Mitgliedern insgesamt, die abgestimmt haben (von über 120.000 Mitgliedern insgesamt), haben 317 ihre Stimme dem Antrag gegeben. Das ist gleichwohl ein Erfolg. 2020 stimmen nur 60 Delegierte für eine Debatte, 2021 ebenfalls.
Hat Bündnis 90/Die Grünen ein Problem mit demokratischer Debatte und dem Umgang mit anderen Meinungen? Wie die Bundesgeschäftsstelle mit der stetig wachsenden Kritik am Gesetzesvorhaben „Selbstbestimmungsgesetz“ umgeht, wirkt seltsam. Bis zum Abend des 18.9. um 23.59 Uhr können alle Grünenmitglieder abstimmen, dass der Antrag V07 bei der BDK abgestimmt wird. Er beantragt mit der Unterstützung von 69 Grünen, dass über das „Selbstbestimmungsgesetz“ bei der Bundesdelegiertenkonferenz in Bonn eine sachliche Debatte und Rechtsfolgenabschätzung stattfindet.
Im Gegensatz zu mir, die ich mich klar gegen das Selbstbestimmungsgesetz ausspreche, positioniert sich der Antrag 07 gar nicht gegen das Gesetz, sondern stellt lediglich fest, dass eine breite Debatte nicht stattgefunden hat, die nachgeholt werden muss, weil problematische Punkte offen sind und geklärt werden müssen, ehe aus den Eckpunkten ein Gesetz für die Allgemeinheit wird.
„Viele Fragen ergeben sich für uns daraus, die es unbedingt zu beantworten gilt. Die dem Eckpunktepapier beigefügte Liste des bmfsfj mit Fragen und Antworten beantwortet weder die dort gestellten Fragen zufriedenstellend noch beinhaltet sie weitere relevante Fragen. Wir befürchten, dass die Veröffentlichung des konkreten Gesetzentwurfs erst kurz vor der Verabschiedung geplant ist, so dass es dann für eine breite Debatte zu spät ist.“
V-07: Aufforderung zur Debatte zum Selbstbestimmungsgesetz (48. Bundesdelegiertenkonferenz, Antragsgrün) (gruene.de)
Einen solchen Antrag aus der Mitte der Partei, der eine sachliche Aufklärung und Rechtsfolgenabschätzung fordert, müsste eine demokratische Partei eigentlich begrüßen. Tut sie aber nicht. Stattdessen gibt es so viele Hürden, dass man bösen Willen dahinter vermuten könnte.
Hat die grüne Nichtdebatte Tradition?
Meine Erlebnisse 2020 und 2021, als ich den aggressiven Umgang mit Frauen kritisierte und bei zwei Bundesdelegiertenkonferenzen eine Debatte zur Self-ID forderte, habe ich hier beschrieben: https://www.evaengelken.de/weg-zur-persona-non-grata/
2022 hat sich die Situation weiterentwickelt. Die Anzahl der Kritiker und Kritikerinnen des Gesetzes ist in dem Maße gewachsen, wie das Thema in der Öffentlichkeit ankam. Parallel dazu hat sich eine Reihe von Grünenmitgliedern formiert, denen sowohl das Transsexuellengesetz als auch das geplante „Selbstbestimmungsgesetz“ vollkommen egal sind. Was ihnen aber nicht egal ist, ist das Totschweigen von Kritik und der undemokratische Umgang mit kritisierenden Personen.
Unmut über die Art und Weise, wie mit Kritik umgegangen wird
Zahlreiche Grünen sind nicht per se gegen ein Selbstbestimmungsgesetz Hier entstand ab Mitte 2021 eine zunehmend rege Diskussion im parteieigenen Intranet, dem „Discourse“. Dort war zu beobachten, dass einige Grüne, die anfänglich jedwede Kritik an eine schrankenlosen Personenstandswechsel (=Self-ID) als unpassend empfanden, im Lauf der Zeit verstanden, worum es bei dem Thema wirklich ging und sich in die Reihen der Kritiker und Kritikerinnen einreihten. Anderen ist das „Selbstbestimmungsgesetz“ weiterhin egal, jedoch nicht die Art und Weise, wie sich der Bundesvorstand den Nachfragen entzieht und das Sprechen über das Gesetzesvorhaben unterbindet.
Maulkorb? Ausschluss kontrovers diskutierender Grüner aus dem internen Forum „Discourse“
Als erste Maßnahme zur Debatteneindämmung setzte die Bundesgeschäftsstelle im Frühjahr 2022 Moderator*innen im grünen Intranet ein. Dann forderte sie auf, das Debattieren zum Selbstbestimmungsgesetz zu unterlassen. Und dann schloss sie einzelne Mitglieder aus.
Am Abend der Landtagswahl in NRW im Mai 2022 erhielten acht Mitglieder ein Schreiben der Bundesgeschäftsstelle, man habe sie aus dem Forum ausgeschlossen. Ich selbst war auch ausgeschlossen worden, und das, obgleich ich seit Monaten keinen Beitrag gepostet hatte.
Gegenwehr: Anrufung des Bundesschiedsgerichts gegen den Ausschluss aus dem internen Forum
Einige der Ausgeschlossenen zogen gegen den Ausschluss vor das Parteischiedsgericht. Ergebnis: Einige Wochen später wurden sie, und auch wir anderen, die den Antrag nicht unterzeichnet hatten, wieder zugelassen. Aber ach! Das Forum war kein Forum mehr; die freie Diskussion in Diskussionssträngen war nicht mehr möglich. Das Forum war sozusagen verstümmelt worden. Warum das so war? Darüber konnte man nur spekulieren. Hatte die Partei so viel Angst davor, dass mündige Mitglieder sich eine freie Meinung bilden könnten?
Gegenwehr: Ersatzdiskussionsforum gegründet
Ein Mitgrüner rief eine Ersatzplattform, ein „Ersatz-Discourse“, ins Leben, das bis heute unbehelligt Diskussionen zulässt. Gleichzeitig eröffneten weitere Grüne – meist aus dem Realo-Flügel der Partei – eine eigene Debattenplattform, auf der bis heute an die 100 Grüne und einige Externe friedlich Meinungen zu diversen politischen Themen austauschen.
Gegenwehr: Antrag auf Debatte des Selbstbestimmungsgesetzes bei der BDK 2022
Der größte Erfolg der grünen Kritiker und Kritikerinnen bis dato ist die erfolgreiche Einbringung eines Antrags auf faire, diffamierungsfreie Debatte und Rechtsfolgenabschätzung zum Selbstbestimmungsgesetz. 69 Personen haben den eingangs erwähnten, von Eva M. Müller eingebrachten Antrag mit ihrer Stimme unterstützt.
- Volltext, siehe unten: https://antraege.gruene.de/48bdk/Aufforderung-zur-Debatte-zum-Selbstbestimmungsgesetz-19886
Online-Magazin „Schwulissimo“ bezeichnet Antrag als „Rebellion“
Schwulissimo: GRÜNE REBELLION! „Es ist nicht hinnehmbar, dass Menschen, die Einwände gegen das geplante Selbstbestimmungsgesetz vorbringen, öffentlich diffamiert, bedroht und mundtot gemacht werden.“
https://www.schwulissimo.de/neuigkeiten/gruene-rebellion-gruene-mitglieder-fordern-diskussion-ums-selbstbestimmungsgesetz
In der Kommentarspalte von „Antragsgrün“ werden Antragsstellerin und Unterstützer als „rechts“ bezeichnet
Viele Kommentare waren wohlwollend freundlich. Aus dem Queergrünen Lager kamen zahlreiche Beleidigungen bis hin zum fast schon üblichen Nazi-Vergleich „Rechtsdrall“, „brauner Schleim“ und ähnliches, wegen denen zwei Mitglieder letztlich Strafanzeige erstatteten. Auf die Bitte der Antragstellerin an den Bundesvorstand, sich von dene Diffamierungen zu distanzieren, folgte keine Reaktion. Doch plötzlich waren alle Beleidigungen und verleumderischen Aussagen gelöscht. Das Online-Magazin Schwulissimo berichtete auch hierüber.
„GRÜNE VERWEIGERN KLARE HALTUNG Interne Diskussion um Selbstbestimmungsgesetz nicht erwünscht“, ms – 06.09.2022 – 11:00 Uhr
https://www.schwulissimo.de/neuigkeiten/gruene-verweigern-klare-haltung-keine-konkrete-stellungnahme-zu-nazi-vergleichen
Unzensierte Kommentare (Archiv-Link)
Maulkorb? BuVo schließt Kommentarfunktion beim Antrag 07, der die Debatte zum Selbstbestimmungsgesetz fordert
Am 2. September schloss die Geschäftsstelle den Kommentarbereich zum Antrag 07 mit der Begründung, das Thema sei ausdiskutiert.
Gegenwehr: Antrag an das Bundesschiedsgericht, den Kommentarstrang zu öffnen
Die Antragsführerin Eva M. Müller rief am 16.9. gegen die Kommentarschließung das Bundesschiedsgericht an. Bisher ist noch keine Eilentscheidung ergangen.
Maulkorb: Erneute Hürde für den Antrag auf Debatte des SelbstBestG: Das Ranking der V-Anträge
Eine neue Hürde, an der der Antrag 07 womöglich scheitert, errichtete die Partei mit dem V-Ranking. Als ich 2020 und 2021 jeweils beantragte, das Selbstbestimmungsgesetz zu debattieren, musste ich diese Hürde nicht überwinden, meine Anträge wurden anstandslos zur Debatte zugelassen.
2022 ist das anders. Angesicht von über hundert Kommentaren unter einem Antrag könnte die Bundesgeschäftsstelle doch eigentlich davon ausgehen, dass innerparteilicher Diskussionsbedarf besteht. Doch der Antrag 07 muss wie viele andere Anträge auch in das V-Ranking. Dabei müssen alle Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen bis zum 18.9. um Mitternacht abstimmen, welche zehn ausgewählten V-Anträge aus all den sonstigen eingereichten V-Anträgen bei der 48. Bundesdelegiertenkonferenz in Bonn abgestimmt werden.
Jedes Mitglied darf bis zum 18.9. um Mitternacht abstimmen, welche Anträge bei der BDK abgestimmt werden
Maulkorb? Technischer Fehler beim Abstimmen führt zur Fristverkürzung
Die erste Abstimmrunde über alle V-Anträge musste wiederholt werden, weil das Zähltool nicht richtig funktionierte. Dies bewirkte, dass man zunächst mehrfach seine Stimme abgeben konnte. War das ein technischer Fehler oder muss man böse Absicht vermuten? Jedenfalls musste das Abstimmen erneut beginnen, jedoch ohne, dass die Abstimmungsfrist über den 18.9. hinaus verlängert wurde.
Nun haben alle Mitglieder noch bis zum 18.9. 23.59 Uhr Zeit, abzustimmen.
Hier geht’s zum V-Ranking bis 18.9. 23.59 Uhr
Empfehlung für die Stimmabgabe: Nur den einen Wunschantrag wählen, die anderen Stimmen verfallen lassen
Eine Möglichkeit ist es, nicht alle 10 Stimmen zu vergeben, sondern nur den Anträgen eine Stimme zu geben, die man wirklich haben will. Und die restlichen Häkchen nicht abgeben.
Man kann zum Beispiel nur einem oder zwei Anträgen seine Stimme geben und die anderen verfallen lassen.
Maulkorb? Versuch, den Antrag V07 durch Änderungsanträge zu verwässern
Die wirkmächtige innerparteiliche Struktur Queergrün hat einen eigenen Versuch unternommen, die Debatte des Selbstbestimmungsgesetzes zu unterbinden. Durch diverse Änderungsanträge zum eigentlichen Debattenantrag. Ein Antrag will einen Teil der Forderungen streichen, aber dafür aufnehmen, dass „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit und transfeindliche Ideologien“ zu benennen seien.
Wem dieser Antrag beides unterstellt, geht aus dem Link hervor: Frauen, die man als evangelikal unterwandert oder als extrem rechts ansieht.
Antragstext von Antrag V07 im Wortlaut
Repräsentantinnen und Repräsentanten von Bündnis 90/Die Grünen bereiten ein
‚Selbstbestimmungsgesetz‘ vor. Bislang wurde lediglich ein Eckpunktepapier vorgestellt (Link siehe Begründung (https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/Artikel/220630_Eckpunkte_SelbstbestimmungsG–.pdf?__blob=publicationFile&v=2), so dass die Einzelheiten des neuen Gesetzes noch nicht bekannt sind. Viele Fragen ergeben sich für uns daraus, die es unbedingt zu beantworten gilt. Die dem Eckpunktepapier beigefügte Liste des bmfsfj mit Fragen und Antworten beantwortet weder die dort gestellten Fragen zufriedenstellend noch beinhaltet sie weitere relevante Fragen. Wir befürchten, dass die Veröffentlichung des konkreten Gesetzentwurfs erst kurz vor der Verabschiedung geplant ist, so dass es dann für eine breite Debatte zu spät ist.
Wir sind heute der Meinung:
• Ja, es gibt Handlungsbedarf. Das bestehende TSG entspricht nicht mehr den
gesellschaftlichen Werten und bedarf einer Anpassung, die transsexuellen Menschen
Erleichterung einräumt und mehr Akzeptanz in der Gesellschaft verschafft
• Die geplante Veränderung, Recht auf Selbstdeklaration des Geschlechtes in der im
Eckpunktepapier beschriebenen Form, ist so fundamental, dass sie Auswirkungen auf andere, nicht transsexuelle Erwachsene und insbesondere auf Kinder und Jugendliche hat, und deshalb nicht ohne eine breite gesellschaftliche Zustimmung umgesetzt werden sollte.
• Wir möchten daran erinnern, dass große Reformen (wie zum Beispiel die Abschaffung des Verbots von Homosexualität, die ‚Ehe für Alle‘, das Abtreibungsrecht, das Sterberecht usw.) in Deutschland in den meisten Fällen mit breiten überparteilichen Mehrheiten durchgesetzt worden sind. Diese Akzeptanz braucht auch das geplante Selbstbestimmungsgesetz. Weshalb wir für eine neue Regelung der Rechte von transsexuellen Menschen eine breite Mehrheit, bestenfalls unter Einbeziehung von Abgeordneten aller Parteien, anstreben.
• Dies erfordert, dass Fragen gestellt und beantwortet werden, Argumente ausgetauscht werden können, Bedenken und Ängste aller Menschen ernst genommen und respektiert werden. Eine breite gesellschaftliche Debatte sollte deshalb zuvor ermöglicht werden. Es ist nicht hinnehmbar, dass Menschen, die Einwände gegen das geplante Selbstbestimmungsgesetz vorbringen, öffentlich diffamiert, bedroht und mundtot gemacht werden. Weder parteiintern noch in der öffentlichen Debatte.
• Gute Argumente müssen gehört werden, damit für wirklich alle Seiten das Beste entstehen kann. Folgen und Spätfolgen müssen bedacht werden, damit in der breiten Bevölkerung nicht nur die Akzeptanz für transsexuelle Menschen wächst sondern bestenfalls auch die
Unterstützung derer.
Deshalb beantragen wir:
- • eine innerparteiliche Debatte zu diesem Gesetz, die auch in aller Breite und Offenheit
- möglich gemacht werden muss.
- • Diffamierungen sind zu unterlassen.
- •Eine breit angelegte Rechtsfolgenabschätzung für die geplanten Regelungen, sowie belastbare quantitative Studien und aktuelle wissenschaftliche Leitlinien müssen das Bild abrunden und gehören zur Meinungsbildung dazu. Deshalb müssen diese im Gesetz Niederschlag finden.
- • Alternativen bzw. Änderungen zu dem geplanten Gesetz (die dieselbe Intention verfolgen, aber andere gesetzliche Bestimmungen vorschlagen) müssen ergebnisoffen diskutiert werden können.“
Eva Müller
Da ich namentlich erwähnt werde, möchte ich folgendes klarstellen:
Dieser Blogg wurde ohne meines Wissens oder Zutun erstellt.
Ich distanziere mich aufs Schärfste von Aussagen wie “ Fantasiegeschlechtsgesetz”.
Eva M Müller
EE
Ich habe das sprachlich abgemildert. Und ich stelle klar, dass ich den Artikel keinesfalls im Namen anderer Grüner verfasst habe. Das ist wichtig. Im Hinblick auf das geplante Gesetz vertreten wir kritischeren Grünen sehr unterschiedliche Positionen. Wo wir uns einig sind, ist, dass das Gesetz hinsichtlich seiner Rechtsfolgen und Wirkungen diskutiert gehört. Wie eine Neuregelung ausgestaltet werden kann, dazu werden wir Ansätze einbringen.
Eva Müller
Liebe Eva,
ich lese gerade dein neues Buch, Trans*innen? Nein, danke!
Bevor ich es in meinen Händen hielt, hatte ich bedenken, ob ich mit deiner Sprache einverstanden sein kann. Inhaltlich hatte ich keinerlei Zweifel, dass es ein überzeugendes Werk sein wird.
Meine Bedenken bzgl der Sprache, fanden nur in meinem Kopf statt!
Dieses Buch ist ein Muss für jeden, der besser verstehen will was auch hier in Deutschland gerade passiert und von unserer Regierung legalisiert werden wird.
Wer dieses Buch nicht liest, um besser zu verstehen, macht sich schuldig!
Wer dieses Buch liest, und sich nicht lautstark empört dessen, was per Gesetz demnächst erlaubt sein wird, macht sich schuldig!
Danke für dieses Buch und dein Engagement!
Ich wünsche dir viel Erfolg und uns allen zahlreiche Leser!
EE
Liebe Eva,
merci vielmals für diese ebenso freundliche wie engagierte Rückmeldung!
Ja, du hast völlig Recht! Man muss das stoppen!
Herzliche Grüße
Eva E