Das aktualisierte Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte aus dem Verlag Dashöfer wagt es, das Ampellieblingsprojekt „Selbstbestimmungsgesetz“ zu kritisieren. Die LAZ-reloaded-Vorständin und Rechtsanwältin Gunda Schumann ist die Autorin der Contra-Position. In ihrem Buchbeitrag erläutert sie, dass eine Antwort auf die Probleme transidentifizierter Personen nicht auf Kosten der Entfaltung und Schutzbedürftigkeit von Frauen gehen dürfe und zeigt einen Lösungsweg auf. Ich habe sie gefragt, wie der aussehen könnte.
Nachgefragt bei Gunda Schumann, Rechtsanwältin und Vorständin von LAZ reloaded e.V.
Liebe Gunda, mittlerweile haben viele Leute mitbekommen, dass wir Frauen gegen den „Geschlechtswechsel per Sprechakt“ sind. Ich werde häufig gefragt: „Wie würdest du denn ein Selbstbestimmungsgesetz formulieren?“ Wie siehst du das? Kann es ein verfassungskonformes Selbstbestimmungsgesetz geben, das Menschen, die sich in ihrem Körper und Geschlecht nicht wohlfühlen, das Leben erleichtern würde?
G.S.: Ich wehre mich schon gegen den Ausdruck „Selbstbestimmungsgesetz“. Damit wird suggeriert, es gehe darum, einer Minderheit Rechte zu geben, die ihnen bislang zu Unrecht vorenthalten wurden. Dieser Eindruck führt bewusst in die Irre. Es geht um das Einreißen von Grenzen. Das ist die wahre Absicht, die dahintersteht. Das von der Ampel geplante Selbstbestimmungsgesetz ist der Angriff des Patriarchats von links. Er entzieht den mühsam erkämpften Rechten von Frauen den Boden, indem er den rechtlichen Begriff Geschlecht abschafft. Das ist mit unserer Verfassung nicht vereinbar.
Du sprichst vom „Abschaffen“ des Geschlechtsbegriffs. Das „Selbstbestimmungsgesetz“ will ja zunächst nur ermöglichen, dass Menschen ab 14 Jahren ihren Personenstand per Sprechakt (=Selbstidentifikation) von weiblich zu männlich bzw. von männlich zu weiblich wechseln können. Und warum widerspricht die Selbstidentifikation unserer Verfassung?
G.S. Die freie Wählbarkeit des Geschlechtseintrags ist nur der erste Schritt. Das Endziel ist die Abschaffung des Geschlechtseintrags.
Beides ist komplett unvereinbar mit unserer Verfassung, dem Grundgesetz. Das Grundgesetz enthält in Artikel 3 Absatz 2 den Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Dass dieser Satz da drinsteht, verdanken wir der Familienrechtsanwältin Elisabeth Selbert, die 1948 im Parlamentarischen Rat alle Hebel in Bewegung setzte – und dafür besonders von den „Trümmerfrauen“ Zuspruch erhielt –, um Frauen einen konkreten Anspruch auf rechtliche und praktische Gleichstellung mit Männern zu verschaffen.
Würde ein Selbstbestimmungsgesetz kommen, wäre dieser Anspruch auf Gleichstellung wertlos. Wenn den Vergleichsparametern Frau/Mann die Grundlage entzogen wird, weil biologische Frauen nach Einführung eines Selbstbestimmungsgesetzes keine statistische Größe mehr sind, kann keine Frau mehr ihre geschlechtsbasierte Ungleichbehandlung nachweisen.
Ich kann mich als Frau doch weiterhin darüber beschweren, dass ich als Frau bei Beförderungen übergangen werde, oder nicht?
GS. Wenn ich mein Geschlecht nach Gusto wechseln kann, wird der Begriff Frau beliebig. Die Statistik, mit der ich nachweisen will, dass Frauen systematisch bei Beförderungen übergangen werden, wäre nicht mehr zu gebrauchen, wenn nicht klar ist, ob die Nichtbeförderten tatsächlich Frauen sind, die übergangen wurden, weil sie schwanger werden können. Möglicherweise sinkt auch der prozentuale Anteil der Frauen, die bei Beförderungen übergangen werden, weil die Statistik auch Männer, die gerne Frauen wären, einbezieht.
Umgekehrt kann die Zahl der weiblichen Sexualstraftäter signifikant ansteigen, wenn in der Frauenkriminalstatistik auch transidentifizierte Männer auftauchen. Richtig?
G.S. In Schottland gab es zu Jahresbeginn den Fall eines sich als Frau identifizierenden Mannes, der sich nach seiner Verhaftung wegen zwei Vergewaltigungen zur Frau erklärte und als Isla Bryson verlangte, im Frauengefängnis inhaftiert zu werden. Dieser Fall bewies allen Zweiflern, dass die Bedenken gegen Self-ID begründet sind.
Kommen wir zum Thema Diskriminierung. Menschen, die sich als trans identifizieren, behaupten, sie würden diskriminiert, weil sie nicht ohne Gutachten ihren Geschlechtseintrag wechseln dürfen. Sie behaupten, das Verfahren nach dem Transsexuellengesetz, das vor einem Personenstandswechsel zwei Gutachten fordert, verstoße gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
G.S. Die Behauptung ist falsch. Das Bundesverfassungsgericht hat die Gutachtenpflicht selbst nicht kritisiert. Im Gegenteil. Die Gutachten sind nach Ansicht des Gerichts sogar dazu geeignet, eine Dauerhaftigkeit des Geschlechtseintrags zu gewährleisten. Und eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Begutachtung ist nun einmal keine Diskriminierung. Natürlich kann der Gesetzgeber die Art der Fragestellungen ändern oder näher definieren. Das heißt aber nicht, dass die Gutachtenpflicht als solche abgeschafft werden muss.
Worin liegt denn dann die Diskriminierung von Menschen, die sich als trans identifizieren? Gibt es eine Diskriminierung, die man als Gesetzgeber beseitigen müsste?
G.S. Männer, die sich als Frauen identifizieren, äußern Unwohlsein, weil sie sich auf Männertoiletten oder in Männerräumen unsicher oder unwohl fühlen. Das ist bezeichnend für die eingangs erwähnte Absicht, die hinter den Plänen für ein „Selbstbestimmungsgesetz“ steht: Nach dem Unwohlsein von Frauen, wenn Männer ihren Räumen, Toiletten oder Gefängnissen sind, wird nicht gefragt. Es geht hier also immer um das Einreißen von Grenzen, die Frauenrechte bedrohen.
Die Frage bleibt trotzdem: Kann der Gesetzgeber etwas für Menschen – Männer – tun, die Angst vor anderen Männern haben, weil sie liebe Röcke tragen als Hosen?
G.S. Meines Wissens verfügt Sven Lehmann, der Queerbeauftragte des Bundes, jährlich über einen Etat von 70 Mio. Euro für die Akzeptanz queerer Lebensformen. Die kann der Gesetzgeber ja für Schutzräume für transidentifizierte Personen ausgeben. Wenn sie das haben wollen. Das darf nicht auf Kosten von Frauen gehen. Und: Transfrauen sind Männer. Da gibt es keine Diskussion.
Wie macht das Großbritannien? Die haben doch schon seit 2010 einen Equality Act, der auch Schutzvorkehrungen für Menschen vorsieht, die sich als trans identifizieren.
GS: Der britische Equality Act von 2010 subsumiert „gender reassignment“, also die „Transpersonen“, unter die vulnerablen Gruppen. Und zum Schutz einer vulnerablen Gruppe ist es möglich, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, wenn sie verhältnismäßig sind. Allerdings sind auch Frauen eine vulnerable Gruppe, die aufgrund ihres Merkmals „Geschlecht“ geschützt sind. Daraus zieht der Gesetzgeber den Schluss, dass Frauen unter bestimmten Bedingungen Anspruch auf Single-Sex-Räume haben. Und dieser grundsätzliche Schutz darf nicht durch Schutzmaßnahmen zugunsten einer anderen Gruppe ausgehebelt worden. Deswegen hat die britische Regierung auch das schottische Selbstbestimmungsgesetz abgelehnt, weil es das geschützte Merkmal „Sex“ nicht enthielt. Nicola Sturgeon ist auch aus diesem Grund später zurückgetreten.
Das bedeutet: Auch in Deutschland sind die Grundrechte der o.g. vulnerablen Gruppen – Frauen und transidentifizierte Personen – gegeneinander abzuwägen. Ein Aus für Frauenrechte wäre verfassungswidrig und damit angreifbar.
Du hast in der Aktualisierung des Rechtshandbuchs für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte ja die Contra-Position gegen das Selbstbestimmungsgesetz geschrieben. Sind sich Gleichstellungsbeauftragte deiner Ansicht nach bewusst, dass ein Selbstbestimmungsgesetz ihre Arbeit obsolet machen würde?
G.S. Ich hoffe, durch meinen Beitrag bei den noch nicht in überzeugten Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten einen entsprechenden Denkprozess in Gang zu setzen.
Danke für das Gespräch!
Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte
- Recht von A-Z für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte in der Öffentlichen Verwaltung, Unternehmen und Beratungsstellen
- VERLAG DASHÖFER
- Stand: März 2023
- ISBN: 978-3-931832-44-5
- https://www.dashoefer.de/handbuch/rechtshandbuch-fuer-frauen-und-gleichstellungsbeauftragte.html
Die Autorin der Contra-Position Gunda Schumann
Gunda Schumann
- Jahrgang 1954
- Mitfrau im LAZ Westberlin 1975ff.: Vortragende an der Frauen-Sommeruniversität 1979
- Feministin, Juristin, Soziologin, Autorin
- Weitgereist, mehrsprachig
- Vorständin des LAZ reloaded e.V. seit 2021
- Member of Committee on Law and Legislation, WDI UK
- Mitfrau bei Terre des Femmes
Auszüge aus dem Buchbeitrag “Contra-Positionen zu den Eckpunkten des BMFSFJ und des BMJ zum geplanten Selbstbestimmungsgesetz vom 30. Juni 2022 (S. 28-44) und Erläuterung der Folgen des Geschlechtseintrags per Selbstauskunft für Frauen“
These 1: Verlust der Beweisfunktion des Geschlechtseintrags durch dessen freie Wählbarkeit
[Es] „wird mit dem Verlust der Beweisfunktion des Geschlechtseintrags … die Verteidigung der verfassungsrechtlich verbrieften Rechte von Frauen, deren Gleichstellung mit den Männern nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG nicht zuletzt vom Staat zu fördern ist, erschwert.“
These 2: „Gleichbehandlung“ bedeutet in Wahrheit Grenzüberschreitung
Die vom „Selbstbestimmungsgesetz“ proklamierte „Gleichbehandlung“ stellt in Wahrheit eine Grenzüberschreitung dar, welche die Rechte von Frauen, besonders Lesben und Mädchen, auf körperliche und psychische Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG tangiert.
„Das Öffnen der rechtlichen „Schleusen“ für alle Menschen, auf Antrag ihr Geschlecht zu wechseln und entsprechend registrieren zu lassen, liefert allen Männern, auch den nicht geschlechtlich angeglichenen, die juristische Legitimation, ohne rechtliche Hürden in geschützte (z. B. Frauenhäuser, Mädchennotdienste, Frauengefängnisse) und autonome Frauenräume (z.B. Vereine, Kneipen, Bars, Clubs) einzudringen; auch sexualisierte Gewalt gegen Lesben gehört zu den Folgen. Dadurch wird das Recht von Frauen im Allgemeinen und Lesben im Besonderen auf körperliche und psychische Unversehrtheit gefährdet (Art. 2 Abs. 2 GG).“
Weg aus dem Dilemma: Herstellung der „praktischen Konkordanz“ zwischen Grundrechten
Die Grundrechte von Frauen und Kindern (Art. 2 Abs. 2, Art. 3 Abs. 2 und 3 GG
sowie die von transidentifizierten Personen (Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG)
sind gegeneinander abzuwägen (sog. praktische Konkordanz).
„Des Rätsels Lösung liegt also nicht in einer Abschaffung des Geschlechts als biologische und rechtliche Kategorie, und damit der Frauenförderung sowie im Öffnen aller „Schleusen“ für Trans Personen, … sondern in der Abgrenzung der grundrechtlich geschützten Bereiche für die jeweilige schützenswerte Gruppe (Frauen, besonders Lesben, Kinder und Trans Personen).“
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