Warum habe ich einen Brief an den Vorstand von Bündnis 90/Die Grünen geschrieben?
Ich habe dem Vorstand von Bündnis 90/Die Grünen einen Brief geschrieben. Der Anlass: Auf Antrag der parteiinternen Dachstruktur Queergrün hat die Antragskommission mal eben so, d.h. ohne Abstimmung, in einem Satz „Geschlecht“ durch „Sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität“ ersetzt. Die Abstimmung über meinen Antrag, den Begriff „Geschlechtsidentität“ zu streichen, wird damit zur Farce. Zudem ist an mehreren weiteren Stellen der Begriff „Geschlechtliche Identität“ auf dem gleichen Weg ins Grundsatzprogramm gerutscht.
Mein Brief
Mönchengladbach, den 15. Nov. 2020
Lieber Vorstand von Bündnis 90/Die Grünen, lieber Robert Habeck, liebe Annalena Baerbock, liebe Ricarda Lang, lieber Michael Kellner, liebe Jamila Schäfer,
ich bin offen gestanden irritiert.
Mit meinem zur Abstimmung vorgesehenen Antrag 113-3 beantrage ich, einen Satz mit dem Begriff „Geschlechtsidentität“ zu streichen, weil er problematische Auswirkungen für Frauenrechte entfaltet und mit der grünen Basis nicht ausreichend debattiert wurde. Nun erfahre ich zufällig im Antragstellerwebinar am Freitag, dass im selben Kapitel „Zusammenleben“ auf Antrag von Queergrün per modifizierter Übernahme der Begriff „Geschlecht“ durch „Sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität“ ersetzt wird (Antrag 298). Diesen Antrag hat Queergrün am 8.10. um 22.57 Uhr, also einen Tag vor Antragsschluss eingebracht, nun wurde er von der Antragskommission ohne Diskussion oder demokratische Abstimmung übernommen.
Das ist entweder nicht durchdacht oder eine undemokratische Missachtung aller, die viel auf sich nehmen, um sich einem Konzept entgegenzustellen, das Frauenrechte aushöhlt und Jugendliche zum Versuchsball der Pharmalobby macht.
Die Queer Theory und das Selbstbestimmungsrecht jedes Einzelnen haben bei den Grünen den Status einer heiligen Kuh, aber wir leben immer noch in einer Gesellschaft mit patriarchalen-kapitalistischen Strukturen, wo Frauen sich nicht mal eben per gefühlter Geschlechtsidentität aus ihrer Unterdrückung herausidentifizieren können, sondern vielfältigen Unterdrückungsmechanismen als Klasse unterliegen. Hingegen können Männer per subjektiver Geschlechtsidentität Frauen mühsam erkämpfte Rechte streitig machen. Um hier Aufmerksamkeit zu schaffen, habe ich meine Anträge gestellt.
Hier und heute bitte ich euch, die modifizierte Übernahme des Queergrün-Antrags 298 abzulehnen bzw. ihn zur Abstimmung zu bringen. Desweiteren bitte ich euch wie schon in meinen als V-Antrag nicht zugelassenen Anträgen gefordert, die Gender-Self-ID aufgrund einer subjektiven Geschlechtsidentität zu überdenken.
Ferner bitte ich euch, zu überlegen, ob ihr es angemessen finde, dass ich und andere grüne Frauen, die wir uns für unsere Rechte einsetzen, von einem Bundestagsabgeordneten Sven Lehmann, einem Ex-Bundestagsabgeordneten Volker Beck und zahlreichen weiteren grünen Schwulen als „Terfs“ und „transfeindlich“ beleidigt werden. Findet ihr es in Ordnung, dass grüne Transfrauen, die teilweise parteiinterne Führungspositionen bekleiden wie Julia Eberz, Victoria Boßart oder Maike Pfuderer, mich und andere in teils unflätiger Weise als „gruppenbezogen menschenfeindlich“, „AfD-nah“ oder gleich als „Nazis“ oder „braunen Dreck“ diffamieren?
Ist das Ausdruck einer vielfältigen Debatte? Ist es die berechtigte Gegenwehr einer ausgegrenzten Minderheit gegen böse und dominante Frauen? Oder ist solches Verhalten nichts anderes als das typisch toxisch-männliche Niederknüppeln von Frauen, die sich erdreisten, auf ihren Rechten zu beharren?
Im Namen der Selbstbestimmung hat sich Bündnis 90/Die Grünen schon einmal von einer einflussreichen Gruppierung hinreißen lassen, die Schwächsten unter uns, nämlich unsere Kinder, ungeschützt dem Zugriff von männlichen Tätern zu überlassen. Auch damals wurden KritikerInnen aufs Übelste beleidigt. Mir kommt es vor, als seien die Grünen erneut dabei, sich wie ein Ochse am Ring durch die Manege ziehen zu lassen und Klientelpolitik zu machen für homosexuelle Männer und für Männer, die glauben, sie seien Frauen und hätten jedes Recht, ihre Bedürfnisse über alle anderen zu setzen.
Wir haben das Jahr 2020. Ich finde, es ist an der Zeit Schluss mit Klientelpolitik zu machen und zu beginnen, gerechte Politik zu machen. Das erreicht man nicht durch einen Kampf gegen angeblich diskriminierende Frauen, sondern durch einen mutigen Kampf gegen diskriminierende patriarchal-kapitalistische Strukturen.
Ich freue mich auf die Debatte und auf eine gute BDK!
Mit freundlichen Grüßen
Eva Engelken, KV Mönchengladbach
unterstützt von Dr. Antje Galuschka, KV Ostholstein
Um welche Anträge geht’s?
Ich habe ja mehrere BDK-Anträge gestellt mit dem Ziel, das Selbstbestimmungsgesetz zu debattieren und den Begriff der Geschlechtsidentität und die darauf aufbauende Self-ID „Ich sage, ich bin Frau, also bin ich Frau“ zu streichen. Davon ist einer, der Änderungsantrag GSP.Z-01-113-3: Kapitel 4: Zusammen leben zur Abstimmung angenommen worden. Das heißt, ich spreche am 22.11. bei der online-BDK 3 Minuten zu diesem Antrag, dann kommt eine Gegenrede, dann wird abgestimmt.
Weitere auf Antrag von Queergrün vorgenommene Modifizierungen im Grundsatzprogramm
Es ist gut, dass das Thema „Geschlechtsidentität“ bei mir zur Sprache kommt. Mein Antrag ist jedoch nur noch ein Tropfen auf den heißen Stein. Im gesamten Grundsatzprogramm haben sich an vielen weiteren Stellen, die von meinem Änderungsantrag nicht umfasst sind, der Begriff „Geschlechtsidentität“ und die Genderselbstidentifikation eingeschlichen. Beziehungsweise wurden im Wege einer modifizierten Übernahme nachträglich eingebaut.
https://antraege.gruene.de/45bdk/Kapitel_4_Zusammen_leben-22676/7710
Das grüne Herz schlägt für Queer
Ein Blick ins Grundsatzprogramm zeigt: Queerpolitik ist hip. Leider werden dabei alle Gruppierungen durcheinandergeworfen. Auf den ersten Blick sieht ein Satz wie dieser gut aus:
Solidarische Queerpolitik führt die unterschiedlichen Perspektiven von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans, inter, nicht-binären und queeren Menschen zusammen.
Grundsatzprogramm modifiziert durch Sprecher*innenrat
Wenn man aber das Selbstbestimmungsgesetz vor Augen hat oder das Verbot der Konversionstherapie, wo die Rechte von Intersexuellen als Feigenblatt benutzt werden, um mit der gefühlten Geschlechtsidentität von Transgender oder Nonbinären die Rechte von Frauen zu entwerten, wird man misstrauisch.
Der Text geht nämlich weiter und impliziert die rechtliche Gender-Selbstidentitfikation.
Freiheit und Würde
bedeutenbedeutet zum Beispiel, sich einem Geschlechtzuordnen zu könnenzuzuordnen oder auch nicht. Und es bedeutet, die eigene sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität selbstbestimmt finden und leben zufindenkönnen.
Seine Geschlechtsidentität finden und leben ist in Ordnung, aufgrund einer Geschlechtsidentität den Personenstand zu wechseln, ist hochproblematisch. Frauen werden nicht wegen einer „Geschlechtsidentität“, sondern aufgrund ihres Geschlechts und der damit verbundenen Rollenzuweisung diskriminiert. Verweigert man Frauen die Beförderung, tut man es, weil sie schwanger werden könnten, nicht deswegen, weil sie sich als „als Frauen fühlen“.
Feminismus ist nicht nur für Frauen da
Bei Bündnis 90/Die Grünen ist Feminismus offenbar darüber hinaus, für Frauen da zu sein. Laut einem Antrag ist Feminismus „nicht nur für cis geschlechtliche Frauen da und sollte ebenso trans, inter und nicht-binäre Menschen, wie in Absatz (182) einbeziehen.“
Ich wäre völlig einverstanden, wenn dieser inklusive Feminismus dazu führen würde, dass endlich die Ungerechtigkeiten gegen Frauen beendet würden, als da wären, Gewalt, Altersarmut, Morde, Prostitution, Kinderehen etc.. Aktuell bin ich misstrauisch, denn bei der aktuellen Diskussion dreht sich in aller Regel immer alles erst mal darum, ob Transfrauen als Frauen anerkannt werden.
Toxische Männlichkeit findet keine Erwähnung
Gefreut habe ich mich deshalb, als ich den Antrag vom Kreisverband Pinneberg las. Es gibt feministische Lichtblicke im Grundsatzprogramm, dachte ich, denn der KV Pinneberg forderte eine Definition eines zeitgemäßen Feminismus, der patriarchale Strukturen klar benennt. Leider ist das nicht übernommen worden oder nur in einer weichgespülten Version, die „Männlichkeitsbilder für eine gleichberechtigte Gesellschaft fordert“. Schade, nur wenn man Fronten klar benennt, kann man beginnen, sie zu besiegen oder zu überwinden.
https://antraege.gruene.de/45bdk/Kapitel_4_Zusammen_leben-22676/8862
Ansonsten hoffe ich immer noch auf eine Debatte über das Konzept der Geschlechtsidentität anstelle des Geschlechts
Aus dem gleichen Grund hoffe ich immer noch auf eine Debatte über das Konzept der Geschlechtsidentität. Wir überwinden den Sklavenhandel nicht, indem wir das Wort Sklave streichen. Und wir schaffen Diskriminierungen Frauen gegenüber nicht ab, indem wir statt auf das biologische Geschlecht, das bei 98 Prozent aller Menschen eindeutig ist, auf eine nur subjektiv fassbare „Geschlechtsidentität“ abstellen. Vielen sind die Probleme noch gar nicht klar, die es mit sich bringt, wenn das Konzept der Geschlechtsidentität, auf Englisch „gender“ und „gender identity“, das Geschlecht, also auf Englisch „Sex“ ersetzen. Hierüber sollte nach wie vor debattiert werden.
Möge die Debatte eine wertschätzende sein!
Wir verstehen uns als Bündnispartei, die auf der Grundlage gemeinsamer Überzeugungen offen ist für unterschiedliche Erfahrungen, Vorstellungen und Ansätze.Sie orientiert sich nicht an der Summe einzelner Interessen oder einzelner Gruppen, sondern verbindet verschiedene Interessen zu einer gemeinsamen Vision für eine bessere Zukunft. Das kann anstrengend sein, aber nur so entsteht aus den vielen verschiedenen Erfahrungen und Ideen Neues.
Grundsatzprogramm Die Werte, die uns einen
kein
Sie haben von echter Transsexualität keine Ahnung.
engelkeneva
Hallo kein,
Transsexualismus war die frühere Diagnose, mit der man ein Verfahren nach dem alten Transsexuellengesetz durchlaufen konnte.
Das war eine Krankheitsdiagnose. Die heutigen Transaktivisten wollen genau diese „Pathologisierung“ abschaffen. Das Geschlecht soll wechseln können, wer sich als trans fühlt.
Sie reden auch nicht mehr von „echter Transsexualität“ sondern von Transgender.
Wie ist Ihre Ansicht dazu?
Mit freundlichen Grüßen
EE