Für eilige Leserinnen und Leser: Das Frauenstatut und der Mut Grüner Frauen – u.a. Waltraud Hoppe, Christa Nickels, haben die Grüne Partei groß gemacht und sorgen bis heute für Anziehungskraft der Partei bei den Frauen. Wegen Annalena Baerbocks Kanzlerkandidatur und sinkenden Umfragewerten gerät es erneut unter Beschuss – besonders von Grünen Männern, die seit Joschka Fischer über Winfried Kretschmann und seinen Nachfolger und viele leise grummelnde Männer eigentlich die männliche Einzelspitze als natürliche Ordnung ansehen. Dorothea Meuren zeichnet den Weg des Frauenstatuts nach und erläutert, warum wir Frauen es jetzt unbedingt verteidigen müssen.
Annalena Baerbocks Kandidatur: Zwiespalt zwischen Frauenquote und Wahlerfolg
„Bei gleicher Qualifikation werden Frauen bevorzugt …“. Dieser Zusatz findet sich häufig in Stellenausschreibungen und manchmal haben dann Männer das Nachsehen. So geschehen bei der Nominierung der/des Kanzlerkandidatin bzw. -kandidaten von Bündnis 90/Die Grünen zur Bundestagswahl 2021.
Welche Person, Robert Habeck oder Annalena Baerbock, KanzlerkandidatIn bei der Bundestagswahl 2021 wird, diese (Vor-)Entscheidung des 19-köpfigen Parteirats fiel öffentlich bereits im April des Jahres. Damit waren die Weichen gestellt, denn für diesen Spitzenposten nominiert wurde Annalena Baerbock. Die digital vom 11. – 13. Juni 2021 durchgeführte Bundesdelegiertenkonferenz bestätigte dann auch formal die Kanzlerinnen-Kandidatur der Parteivorsitzenden und derzeitigen Bundestagsabgeordneten Annalena Baerbock.
Der Co-Vorsitzende Dr. Robert Habeck, von 2012 – 2018 Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume und stellvertretender Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, musste wohl oder übel diese Entscheidung akzeptieren. Im Wahlkampf ist er weiterhin aktiv und in den Medien ein souveräner Gesprächspartner, der uneingeschränkt und solidarisch auf Seite der Grünen Kanzlerkandidatin steht und die Abstimmung durch die Delegierten respektiert.
Annalena Baerbock und ihr Wahlkampfteam, offenbar von den damaligen überraschend guten Umfrageergebnissen geblendet, hätten vorhersehen und darauf vorbereitet sein müssen, dass die Medien und politische Gegner in ihrer Vita nach kritikwürdigen Ungereimtheiten schnüffeln würden, sie wurden ja dann auch mehrmals fündig. So recherchierten sie zum Beispiel ungenaue oder falsche Details in ihrem Lebenslauf oder entdeckten fehlende Quellenverweise in ihrem offenbar hektisch zusammengeschusterten Buch und anderes. Gemessen an den großen politischen Themen und den Fehlern Anderer eigentlich Petitessen, jedoch mit dramatischen Auswirkungen auf die Umfragewerte der Partei.
War unmittelbar nach Baerbocks Nominierung zur Spitzenkandidatin der Grünen die Partei bei einer Blitzumfrage auf 28 Prozent gekommen1), so sanken nach den Veröffentlichungen der diversen Versäumnisse ihre Umfragewerte bis heute kontinuierlich auf aktuell 17-18 Prozent. Der Traum, dass nach der Bundestagswahl 2021 erneut eine Frau Bundeskanzlerin werde, diesmal eine Grüne oder wenigstens eine starke Beteiligung an einer rot-grünen Koalition, ist inzwischen geplatzt.
Bei der Nominierung haben sich offensichtlich die ProtagonistInnen des Frauenstatuts und VerfechterInnen der Frauenquote durchgesetzt, ohne die mehrjährige Regierungs-erfahrung von Robert Habeck genügend zu berücksichtigen. Ob das Geschlecht weiblich bzw. „Frau“ hier in erster Linie den Ausschlag gegeben hat, kann ich nur vermuten.
Warum wir das Frauenstatut angesichts der Kanzlerkandidatur von Annalena Baerbock verteidigen müssen
Geschadet hat die Kandidatur von Annalena Baerbock sowohl ihr selbst wie auch der Grünen Partei, denn die GegnerInnen von Frauenstatut bzw. -quote fühlen sich jetzt schon und werden sich erst recht nach den Wahlen bestätigt fühlen, nimmt man die aktuellen Umfragen vier Tage davor zur Grundlage. Künftig dürfte die „Männerquote“ wieder parteipolitische Entscheidungen dominieren. Die Gegner der Frauenquote, insbesondere die männlichen Netzwerker, dürften schon als Königsmacher in den Startlöchern bereit stehen, ganz nach deren altem Motto: „Frauen können’s gut, Männer aber können’s besser“.
Übrigens: Als Feministin war und bin ich bis heute aktive Verfechterin des Frauenstatuts und damit Befürworterin der Frauenquote, aber in diesem Fall komme ich aus dem Zwiespalt nicht heraus. Heute frage ich mich, ob bei einer Urabstimmung nicht ein anderes Ergebnis herausgekommen wäre.
Entstehung der Grünen Partei und des Frauenstatuts
Grünes Feminat mit Waltraud Schoppe, Antje Vollmer und Christa Nickels
Es war ein Mann, ein Dozent am Fachbereich 3 der Johann-Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt (Main), der mir im Frühjahr 1986 zum Abschluss meines Soziologiestudium als Prüfungsthema im Fach Spezielle Soziologie vorschlug, mich mit dem im September 1985 herausgegebenen Vorläufigen Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes Der Grünen zu beschäftigen. In einigen autonomen frauenpolitischen Gruppierungen aktiv, war ich damals noch parteilos; die Grüne Partei beobachtete ich jedoch seit deren Gründung in Karlsruhe im Hinblick auf Geschlechterpolitik sehr präzise und skeptisch. Das politische Wirken Grüner Frauen innerhalb der Partei (z.B. die Indikationsregelungen zum 218 StGB) fand ich mutig und beispiellos. Bestand der erste Vorstand der Bundestagsfraktion von 1983 bis 1984 noch aus vier Frauen und zwei Männern, so war der darauf folgende ein rein weiblicher Fraktionsvorstand u.a. mit Christa Nickels, Antje Vollmer und Waltraud Schoppe [s. Wikipedia Waltraud_Schoppe] Aufsehen erregend. In die Grüne Geschichte ging er als das „neue Bonner Feminat“ ein.[1]
1983: Gegen Vergewaltigung in der Ehe und Antidiskriminierungsgesetz
Legendär war zum Beispiel die Rede der Parlamentsnovizin Waltraud Schoppe, die sie am 05. Mai 1983 zur Regierungserklärung von Helmut Kohl im Bundestag hielt und in der sie u.a. die Bestrafung der Vergewaltigung in der Ehe forderte.[2] Das war ein Tabubruch, den sexuellen Alltag im Parlament öffentlich zu thematisieren beziehungsweise das misogyne Verhalten von Bundestagsabgeordneten.[3]
Und dann so ein 100 Seiten starker Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes. Er war zwar eine Utopie, jedoch wurden darin erstmals gesellschaftliche Verhältnisse aus feministischer Sicht analysiert und zu Gunsten von Frauen korrigiert. Manche darin aufgeführten Änderungen betrafen insbesondere die zum Strafgesetzbuch, der Strafprozessordnung, dem Einkommens- und Sozialrecht. Dieser „Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes“ ist heutzutage Geschichte, vielleicht ist noch im antiquarischen ZvAB zu erwerben.
Das Frauenstatut – macht die Partei zum Magneten bei Frauen
Der nachfolgende Teil des Frauenstatuts wurde in die Satzung mit der Parteigründung aufgenommen und gilt bis heute. 1986 wurde die Frauenquote verpflichtend eingeführt; alle Grünen Gremien sind seither:
- immerhin zu 50 Prozent mit Frauen zu besetzen (sogenannte Mindestquotierung),
- auf den Wahllisten sind ebenso viele Frauen wie Männer aufzustellen.
Ein weiterer Grundsatz:
- ungerade Listenplätze sind bei Wahlen den Frauen vorbehalten,
- für die geraden, d.h. die offenen Plätze, können sowohl Frauen als auch Männer kandidieren.
Für viele Frauen der autonomen Frauenbewegung hatte gerade das Frauenstatut Signalwirkung und führte in der Folge zu etlichen Beitrittserklärungen bei den Grünen. Und in den Jahren nach der Parteigründung wurde auf Bundes- wie auch auf Landes-verbandsebene stets auf eine paritätisch quotierte Spitze geachtet, denn die Basis registrierte, zumindest anfangs, mit Argusaugen die Vorschriften des Frauenstatuts und deren Einhaltung.
Anti-Feminismus bei den Grünen – Drei Beispiele
Obwohl also das Frauenstatut der Grünen mit seinen Vorschriften an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übriglässt, waren es Grüne Männer, die seine Bestimmungen missachteten und auf Parteitagen die „Königsrolle“ für sich reklamierten.
- Schon 2004 ignorierte es der Grüne Saarländer Hubert Ulrich auf einem Landesparteitag, ein Hardliner, wenn es um seine politische Karriere geht. Auf Parteitagen dominierte er und setzte sich regelmäßig bei den Delegierten als deren alleiniger Spitzenkandidat durch, auch wenn dieser Platz eigentlich einer Frau vorbehalten gewesen wäre. Nach einem Wahlgewinn der Grünen Partei reklamierte er dann selbstverständlich das Amt des Fraktionssprechers für sich.[4]
- 1999 war es dann Joschka Fischer, der eine Reform der Parteistrukturen bei Bündnis 90/Die Grünen anmahnte und die Doppelspitze als „kein gutes Instrument“ kritisierte. Die Grünen zogen dann 2005 mit ihrem damaligen Vizekanzler Joschka Fischer als alleinigem Spitzenkandidaten in die Bundestagswahl. Er wurde von Frauen flankiert: Auf einem Parteitag vor der Wahl hatten sich prominente Grüne Frauen sogar gegen einen Antrag ausgesprochen, Fischer wegen der „geschlechterpolitischen und basisdemokratischen Grundsätze“ der Partei eine Frau an die Seite zu stellen.[5]
[Anmerkung: Seinerzeit sagte mir eine dieser drei Spitzenpolitikerinnen auf der BDK in Berlin, es habe unter ihnen keine Einigkeit darüber hergestellt werden können, welche von ihnen Fischer flankieren solle/könne/dürfe. Konsequenz war die Missachtung des Frauenstatuts].
- Winfried Kretschmann, seit der Landtagswahl 2011 Ministerpräsident der Grünen in Baden-Württemberg, war von 1986 bis 1987 als Ministerialrat Grundsatzreferent im ersten Grünen Umweltministerium in Hessen unter seinem Parteifreund Joschka Fischer, dem späteren Vizekanzler und Außenminister. Es ist sicher nicht abwegig, wenn ich annehme, dass bereits während seiner dortigen Tätigkeit strategische Überlegungen, langfristig die Partei zu reformieren, erörtert wurden, und dass das Frauenstatut insgeheim dabei als Manövriermasse behandelt wurde.
Frauenstatut – schlecht für die Karriereambitionen Grüner Männer
Auf dem Landesausschuss in Mannheim folgten Im Frühjahr 2010 die Grünen Delegierten Baden-Württembergs dem Landesverband, der ein „1 + 3-Modell“ mit Fraktionssprecher Kretschmann präsentierte und damit dessen Führungsanspruch durchsetzte. Lediglich ein weibliches Mitglied des 21-köpfigen paritätisch besetzten Parteirates enthielt sich der Stimme; die übrigen Mitglieder – auch die Frauen! – plädierten für die Annahme dieses vierköpfigen Teams.
Zum großen Bedauern der LAG Frauenpolitik und zweier Kreisverbände wurden die Forderungen auf Beachtung der Landessatzung und damit des Frauenstatuts, eine paritätische quotierte Doppelspitze für die Landtagswahl 2011 zu installieren, mehrheitlich abgelehnt. Gegenpositionen zu diesen Anträgen hatten Brigitte Lösch, damals frauenpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion, sowie die seinerzeitige Parteivorsitzende Silke Krebs vorgebracht, die nach der Landtagswahl im Grünen Kabinett als Ministerin im Staatsministerium vereidigt wurde.
Das „1 + 3 Team“ war ohnehin nur ein Papiertiger zur Befriedung von Teilen der Basis. Vordergründig wurde es wohl schon damals präventiv, sozusagen als Übergangslösung für die Landtagswahl 2011, verabschiedet, wo dann endgültig nur noch ein Mann vorne stand. Die Tendenz, dass dieses „Platzhirschverhalten“ seine Fortsetzung bei den Landtagswahlen 2016 und 2021 finden würde, war mir daher schon klar.[6] Selbst ohne Änderung der Satzung, für die eine Zweidrittelmehrheit erforderlich gewesen wäre, konnte Ministerpräsident Winfried Kretschmann unangefochten die Spitzenposition einnehmen beziehungsweise verteidigen. Die Vorschriften des Frauenstatuts wurden, mit Unterstützung weiblicher Delegierter, zu Gunsten von Männern geopfert.
Und wie zu erwarten, trat das „Quartett“ weder auf einem Wahlplakat in Erscheinung, noch nahm es gemeinschaftlich Wahltermine mit Winfried Kretschmann wahr. Selbst der „Linke Parteiflügel“ favorisierte das „Kretschman‘sche-Modellprojekt“ und verstieß damit gegen das Frauenstatut, das eine paritätische Doppelspitze vorgeschrieben hätte.
Ein einzelner Mann an der Spitze – das Grüne Zukunftsmodell für Baden-Württemberg?
Wann Kretschmann uns Baden-Württembergischen Grünen den Namen seines Nachfolgers für die Landtagswahl 2025 präsentiert, ist nur eine Frage der Zeit. Fest steht: es dürfte sich um ein Mitglied seines 2011 präsentierten Quartetts handeln, das seit Mai 2016 Fraktionssprecher der Grünen Landtagsfraktion von Baden-Württemberg ist.[7][8] Schon im Oktober 2010 hatte er im TAGESSPIEGEL mit einem Zitat von Erwin Teufel eine Andeutung gemacht: „Das Amt muss zum Mann kommen, nicht der Mann zum Amt.“ [9]
Nicht verschweigen möchte ich, wie gekränkt Kretschmann nach der Rede von uns LAG-Frauen bereits am Tagungstag und -ort reagierte. Viele Monate bemühte er sich um einen klärenden Dialog mit uns widerständigen Frauen, wohl mit dem Ansinnen, wir sollten uns für unseren geharnischten Protest, unser Aufbegehren, unsere vehemente Kritik ob seines nicht hinnehmbaren Vorgehens, bei ihm entschuldigen. Als es endlich, nach mehreren Wochen vergeblicher Terminsuche, dazu kam, schwiegen wir hartnäckig auf sein „Mediationsangebot“. Die Landesvorsitzende, qua Amt Mitglied der LAG Frauenpolitik, mischte sich dann, indessen recht polemisch, ein, wohl um nicht umsonst den Termin wahrgenommen zu haben. Nach kurzer Zeit verließen beide, desillusioniert, erkennbar empört über unsere lautlose Aufmüpfigkeit, mit kontrollierter Wut, den Raum.[10]
Abschließend bleibt von mir nachzutragen, dass der Landesverband Baden-Württemberg seit circa 20 Jahren auf die Beschäftigung einer Frauenreferentin verzichtet, obwohl die Landessatzung das in den „Innerparteilichen Strukturen“ unter 4.b) ausdrücklich vorsieht: „Die Frauenreferentinnen nehmen mit beratender Stimme teil.“
Seit der diesjährigen Landtagswahl ist Stefanie Seemann die Sprecherin für Frauenpolitik in der Landtagsfraktion – wohl ohne Frauenreferentin.
Rede zur Frauenquote, gehalten auf dem Landesausschuss Mannheim am 26. Juni 2010
Liebe Freundinnen, liebe Freunde,
während hierzulande überall Feiern zum 30-jährigen Bestehen unserer Partei stattfinden und Grüne, meist männliche, Geburtshelfer mit Wohlgefallen ihre Jubiläumsreden halten, sehen wir Grünen Frauen uns mal wieder gezwungen, weiter an ein parteipolitisches Postulat von Grüner Identität zu erinnern, für deren obligatorische Umsetzung wir seither kämpfen:
für Geschlechterparität,
für die Einhaltung der Frauen-Quote bei jeder Besetzung von Parteiorganen und Gremien usw.,
kurz: für die allumfassende Einhaltung des Frauenstatuts, das obendrein grundsätzlicher und verpflichtender Bestandteil unserer Bundes- und damit auch Landessatzung ist.
Dass ich immer wieder für eine rigorose Einhaltung dieser parteipolitischen Selbstverpflichtung auch meines Landesverbandes würde kämpfen müssen – eine Forderung, die meinen Eintritt in die Partei Mitte der 90er Jahre wesentlich beeinflusste und deshalb für mich selbstverständlich war und ist – finde ich unfassbar, um nicht zu sagen, skandalös. Es empört mich, mit welcher Impertinenz sich Grüne Männer über Frauenbelange hinwegsetzen, um rigoros ihre Selbstsucht, ihre Machtgier, ihr egozentrisches Karriere-streben auf Kosten von Frauen durchzudrücken. Das ist zutiefst unredlich!
Beschämend finde ich darüber hinaus die Argumentation, dass die Berücksichtigung der Frauen-Quote in BaWü eine informelle Regelung sei, quasi eine Generosität uns Frauen gegenüber. Dabei werden die schiefen Machtverhältnisse mit diesem Instrument ebensowenig aufgehoben, wie das ein Binnen „I” tut. Es sind doch bloß kleine Mosaiksteine auf dem mühsamen Weg zur Geschlechterparität.
Die Debatte über die Nichtberücksichtigung von Frauen an der Spitze für die Landtagswahl 2011 wird seit Wochen zunehmend juristisch und keineswegs frauenpolitisch geführt; unterdessen hat sie biologistische Züge angenommen. Nur ein Mann soll also fähig sein, auf Augenhöhe mit Herrn Mappus zu verhandeln? Erinnert das etwa nicht fatal an den Medicus Paul Julius Möbius, der vor genau 110 Jahren die Schrift „Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes” herausgab und meinte, dies mit Geschlecht und Kopfgröße belegen zu können. Sind wir Grüne jetzt etwa im Jahre 1900 angekommen?
Sollte, nein, müsste es nicht selbstverständlicher Konsens sein, in jedem Fall unser Alleinstellungsmerkmal souverän in den Fokus der Wahl-öffentlichkeit zu rücken. Wahlanalysten haben längst nachgewiesen, warum vermehrt Frauen Bündnis 90/Die Grünen wählen: sie tun es u.a., weil Grüne Politikerinnen in den Parlamenten bisher stärker vertreten sind. Auch aus diesem Grund lasst uns für unsere Grünen Grundsätze einstehen, sie inner-parteilich achten und sie gegenüber dem politischen Gegner vehement verteidigen.
Die Frauen-Quote jedoch nicht bei der Spitzenkandidatur für die Landtags-wahl kommenden Jahres zu berücksichtigen, um historisch gewachsene Benachteiligungen abzubauen, wie es erneut versucht wird und bereits in der Vergangenheit gängige Praxis war, das halte ich für ein bemerkenswert entlarvendes Politikum. Ohne Scham wird ins Feld geführt, ein Mann an der Spitze, das sei schon lange Usus, und wir LAG Frauen hätten in der Vergangenheit nie dagegen protestiert! Da stelle ich doch allen im Saal die Frage: Seit wann ist es für Grüne Sitte, auf männliches Nachlass- bzw. Erbrecht zu rekurrieren, es bockig einzufordern und verbissen daran festzuhalten wie an einem vererbbaren Machtanspruch? Das wäre autokratische Politik nach Gutsherrenart, und die sollte sich in unserer Partei doch wohl von selbst verbieten!
Es würde außerdem bedeuten, dass Männerdominanz, also eine verschleierte Quotenregelung zu Gunsten von Männern, ein Gewohnheitsrecht sei, während die Frauen-Quote jede Menge Widersacher auf den Plan ruft, bis hin zur Entgegnung, sie sei verfassungswidrig.
Das Bundesschiedsgericht unserer Partei hat hier mit seinem Urteil längst für Rechtssicherheit gesorgt, doch dessen Rechtsprechung haben wohl nur manche Mitglieder kursorisch zur Kenntnis genommen.
Abschließend noch ein Blick auf die Geschichte Grüner Frauenpolitik: Im Sept. 1985 verfasste die damalige BAG Frauen der Grünen in Kooperation mit dem Arbeitskreis Frauenpolitik der Bundestagsfraktion den „Vorläufigen Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes” für die Partei. Unter der Federführung von Birgit Laubach und Margarete Bause und im Verbund mit anderen Frauen entstand dieses inzwischen wohl schon vergessene Werk. Die meisten dieser Frauen haben sich längst resigniert von Grüner Politik verabschiedet. Warum wohl nur? Ich werde weiter dafür kämpfen, dass namentlich Männer unsere Satzung selbstverständlich beachten und nicht mit fadenscheinigen Argumenten Grüne Identität zerstören und die Partei in ihrer Authentizität beschädigen.
Liebe FreundInnen, lasst uns also nicht den drei monotheistischen Religionen nacheifern – die verehren alle an der Spitze einen männlichen Gott! Wir hingegen, liebe Delegierte, wir fordern eine Parteispitze, die paritätisch besetzt und damit quotiert ist, sie ist frauen- und männer-freundlich zugleich,
obwohl, das gebe ich gerne zu, es langsam Zeit für eine weibliche Doppelspitze wäre.
Doro Meuren
KV Neckar-Bergstraße
[1] Siehe Bundeszentrale für Politische Bildung: „Notwendig aber nicht ausreichend: die Frauenquote bei den Grünen“ https://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/frauenwahlrecht/279359/die-
[2] Plenarprotokoll vom 05.05.1983, (Seite 248 A) Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode
[3] https://www.spiegel.de/politik/das-sind-sachen-die-dauernd-passieren-a-8a2753c7-0002-0001-0000-000014020548?context=issue Der Spiegel, 15. August 1983
[4] https://www.sueddeutsche.de/meinung/hubert-ulrich-die-gruenen-saarland-1.5330043
[5] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/gruenen-parteitag-keine-frau-an-fischers- seite-a- 364582.html
[6] https://www.tagesspiegel.de/politik/gruene-kretschmanns-kampf-gegen-das-dogma-der- doppelspitze/13472216.html
[7] https://www.tagesspiegel.de/politik/gruene-kretschmanns-kampf-gegen-das-dogma-der- doppelspitze/13472216.html
[8] https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.gruenen-fraktionschef-andreas-schwarz- auf-dem-weg-nach-oben.00a9df94-fbc2-46d1-b0bb-bd0185604f42.html?reduced=true
[9] https://www.tagesspiegel.de/politik/gruenen-kandidat-kretschmann-das-amt-muss-zum- mann-kommen/1968836.html
[10] s. Meine Rede, gehalten auf dem Landesausschuss Mannheim am 26. Juni 2010
Übersicht Einzelbeiträge
- Dossier Grüne Frauenfeindlichkeit: Übersicht
- Teil 1: Einleitung & Analyse: Frauenfeindlichkeit hinter grüner Blümchenfassade (Pdf-Download) Eva Engelken und Ute Lefelmann-Petersen
- Teil 2: Manifest für ein neues Denken bei den Grünen (Pdf-Download) Samstag, 11.9.
- Teil 3: Erfahrungsbericht: Mein Weg zu den Grünen und meine schockierte Flucht , (Pdf Download) Samstag, 11.9.
- Teil 4: Erfahrungsbericht: Ein grüner Mann darf alles
- Teil 5: Erfahrungsbericht/Analyse: Der Blinde Fleck. Die Grünen und die Prostitution
- Teil 6: Analyse und Essay: Das Nordische Modell zu Prostitution – Ein Perspektivwechsel zum Schutz der Menschenwürde
- Teil 7: Erfahrungsbericht/Analyse: Gefährlich tolerant. Die Grünen und die islamistische Ein- und Unterwanderung.
- Teil 8: Erfahrungsbericht/Analyse Transaktivismus: Vom willkommenen Neuling zur Persona non grata
- Teil 9: Erfahrungsbericht/Analyse: “Queer & Gendersternchen – und wo bleiben die Lesben?
- Teil 10: Erfahrungsbericht/Analyse: Ich bin Mutter, holt mich hier raus! Die Grünen und das Kindeswohl
- Teil 11: Zwiespalt zwischen Frauenquote und Wahlerfolg. Von Dorothea Meuren
- Erfahrungsbericht/Analyse: Die Macht grüner Verblendung: scheindemokratisch, pseudofeministisch, islamismusblind
- Vortrag: Brustamputation und grüne Leugnung des biologischen Geschlechts im Grünen Selbstbestimmungsgesetz
- Pornografie
- Abschied einer grünen Wählerin
- Weibliche Solidarität oder frauliches Helfersyndrom
- Bericht einer Transwidow: Als mein Mann begann, mir meine Wäsche zu stehlen
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