Mit ihrer aggressiven oder völlig überzogenen Reaktion gegen Frauen, die sie kritisieren, zeigen die Befürworter des Transgenderkonzepts, wo sie stehen: Nicht an der Seite von Frauen, die nichts anderes tun, als die Bedeutung des Geschlechts hervorzuheben. Grund genug, nicht mit ihnen gemeinsam gegen Diskriminierung zu kämpfen. Dieser Ansicht sind auch prominente Transsexuelle oder Transmenschen.
Das Transgenderkonzept nimmt Frauen das Recht, sich zu wehren
Das Transgenderkonzept mit der Selbstidentifkation als Frau ermöglicht Männern, Frauenrechte zu beanspruchen. Und es nimmt Frauen das Recht, sich dagegen zu wehren. Verschlimmert wird das Ganze durch ein mediales Klima, in der der Kritik als „transfeindlich“ sanktioniert wird.
Logisch: Wenn ein Mann rechtlich den Status ‚Frau‘ bekommt, hat er damit offiziell das Recht, Frauentoiletten zu benutzen, als Frau zu kandidieren, Gleichstellungsvorschriften zu seinen Gunsten zu nutzen etc.. Keine Frau kann sich dagegen wehren, weil sie keinen „Mann“ in der Toilette haben will, schließlich gilt der Mann juristisch als Frau.
„There are women with dicks, get over it“
Twitteruser
Angenommen, das fragwürdige Transgenderkonzept und die vereinfachte Selbstidentifikation käme mit dem Selbstbestimmungsgesetz juristisch auch in Deutschland durch. Dann würde es Männern erlauben, ohne weiteres Verfahren die Rechtsposition einer Frau zu erhalten. Aber was passiert mit Männern, die diese Rechte missbrauchen? Gibt es Sicherungen für den Fall, dass Männer ihr Recht, als Frau behandelt zu werden, missbrauchen?
Hoden bleiben Hoden, auch wenn sie einer Transfrau gehören
In Kanada fehlten die Antimissbrauchsmechanismen offenbar. Das zeigt das Beispiel des als Transfrau identifizierenden Kanadiers Jonathan Yaniv. Als Transfrau heißt er Jessica Yaniv. Er verklagte mehrere Mitarbeiterinnen von Waxingstudios, weil sie sich weigerten, seine Hoden zu enthaaren. Er sei diskriminiert worden, weil er nicht als „Frau“ anerkannt und behandelt wurde. Erst vor dem Human Rights Tribunal in British Columbia verlor er die Klage und wurde zu einer Entschädigungszahlung an die Frauen verurteilt.
Einzeltäter, vor denen das Gesetz nicht mehr schützt
Nun kann man sich natürlich fragen, ob die Gesellschaft und ob Frauen solche übergriffigen Ausreißer hinnehmen müssen. Schließlich lebt die breite Masse von Transmenschen friedlich ihr Leben, ohne jemals irgendwen zu belästigen oder gar zu vergewaltigen. Diesen Ansatz halte ich für schwierig. Der grundlegende Sinn unseres Rechtssystems besteht darin, Schutzbedürftige und verletzliche Personen vor solchen Einzeltätern zu beschützen. Und zwar auch, wenn man im Normalfall vor niemandem beschützt werden muss, weil die große Allgemeinheit friedfertig ihr Leben lebt.
Man argumentiert auch nicht, dass es keine Gesetze zum Schutz vor Raubüberfällen geben müsse, nur weil die meisten Menschen nie Opfer eines Raubüberfalls werden.
Nur aus Vorsicht und für den Fall, der hoffentlich in Deutschland nicht eintritt, dass Männer über ein Selbstbestimmungsgesetz Zugang zu Frauenrechten und -räumen bekommen, brauchen wir Schutzmechanismen. Gegen groben Missbrauch. Typen wie diesen Yaniv, die mit dem Anspruch Frau zu sein, andere Frauen nötigen und ihnen wegen ihrer Weigerung, ihn als Frau zu behandeln, ein Gerichtsverfahren aufzwingen kann, braucht kein Mensch.
Aktuell ist es nicht angesagt, sich dem Transaktivistenzug entgegen zu stellen.
Mal abgesehen vom juristischen Ärger und dem Problem, nötigenfalls Frauen aus Frauenräumen wieder zu entfernen: Frauen tun sich momentan keinen Gefallen, wenn sie Transfrauen die Anerkennung als Frau verweigern. Genauer: Ihr auf einer weiblichen Geschlechtsidentität beruhenden Rechtsstatus als Frau. Nicht nur die Rechtslage spricht gegen sie, sondern auch die öffentliche Wahrnehmung.
Kritik am Transgenderkonzept zu üben, wirkt in Teilen der Öffentlichkeit und in bestimmten Bubbles der Sozialen Netzwerke zurzeit so, als wollte man sich einem fahrenden Zug entgegenstellen. Nicht gesund.
In den USA und anderen Ländern, wo die Selbstidentifkation schon möglich ist, hat Kritik am Transgenderkonzept schon mehrfach Frauen den Job gekostet. Weltweit „deplatform“ man Feministinnen, d.h. sperrt ihre Accounts auf Facebook, Twitter und Instagram, weil sie Kritik übten. Ein Beispiel ist die kanadische Feministin Meghan Murphy. Wer in die Sozialen Netzwerk reinliest, findet TransaktivistInnen, die argumentieren, dass Transfrauen ja selbst so diskriminiert seien, dass sie nicht einmal Frauen vergewaltigen könnten.
Sollten Frauen nicht gemeinsam mit allen Diskriminierten kämpfen?
Soll man all diese aggressiven und unangenehmen Reaktionen als Frau hinnehmen, weil es trotz aller Differenzen so wichtig ist, gemeinsam mit allen Betroffenen gegen die Diskriminierung zu kämpfen? Also, als Frau Seite an Seite mit Behinderten, People of Colour, Lesben und Schwulen sowieso und eben auch Transmenschen?
Grundsätzlich finde ich diesen Ansatz überzeugend. Je mehr gegen Diskriminierung durch ein kapitalistisches Patriarchat kämpfen, desto besser. Aber: Frauen sollten in ihrem Kampf nicht selbst unsichtbar werden. Wenn der Preis für einen gemeinsamen Kampf bedeutet, dass sie sich von Männern, die sich als Frauen identifizieren, ihre Plätze wegnehmen lassen müssen und wegen berechtigter Kritik am Konzept der Geschlechtsidentität Shitstorms und Jobverlust riskieren – dann ist der Preis für Frauen zu hoch.
Als TERF werden nur Frauen beschimpft
Vor allem müsste es ein gemeinsamer Kampf sein und Befürworter des Transgenderkonzepts zu hundert Prozent auf der Seite von Frauen stehen und für sie sprechen. So aggressiv, wie zahlreiche „Transfrauen“ und ihre Follower in den sozialen Medien reagieren, wenn Frauen ihr Konzept nicht anerkennen, wirkt es jedoch nicht so, als wären sie dazu bereit. Aufforderungen wie „suck my ladydick, you terf-cunt!“ oder Aufrufe zu Vergewaltigung und Gewalt adressieren nicht Männer, sondern Frauen. Schon reines Nachfragen etikettieren Transgenderkonzeptbefürworter als „Hass“ oder „transfeindlich“ und nennen die betreffenden Frauen TERFS („trans excluding radical feminists“). Ein Schimpfwort, das, auch wenn Männer gemeint sein können, praktisch nur auf Frauen angewendet wird.
Nope. Keine Frauenfreundschaft für Frauenfeinde
Die merkwürdig übertriebene Reaktion entlarvt in meinen Augen die grundlegende Frauenfeindlichkeit des Transgenderkonzepts. Frauen, die sich nicht verdrängen lassen wollen, werden mit dem Vorwurf „hateful“ oder „transphob“ zu sein, sanktioniert und wenn möglich mundtot gemacht. Frei nach Poppers Toleranzparadoxon, der sagte: ‚Keine Toleranz den Intoleranten‘ sollten Frauen sich von der Unterstützung dieser aggressiven Gruppen distanzieren und sagen: Kein Frauenfreundschaft für Frauenfeinde!
Um wessen verletzte Gefühle geht es?
Wäre das Transgenderkonzept ein Konzept, das nicht Frauenrechte schwächen, sondern stärken wollte, gäbe es dann das merkwürdige Missverhältnis von Aggression gegen Frauen und der lautstark beklagten Verletzung eigener Gefühle? Es würde die Gefühle von Transfrauen verletzen, sie als Männer zu misgendern*, heißt es. Schon die Frage „bist Du ein Mann oder eine Frau?“ soll nach Ansicht des deutschen Transverbandes bereits eine „Demütigung“ und eine „Vorstufe zu sexualisierter Gewalt“ (!) darstellen. Weitere Erläuterungen, wann Hass vorliegen soll, liefert die britische Organisation Mermaids.
Die Besorgnis um verletzte Gefühle scheint dabei recht einseitig zu sein: Ob es die Gefühle von Frauen und Lesben verletzt, dass Männer sich als Frauen identifizieren und Frauenrechte beanspruchen, scheint kein Thema zu sein. Die Feministin Germaine Greer kommentierte diese Klagen mit den Worten „Meine Güte, meine Gefühle als alte Frau werden dauernd verletzt“.
Auf die Frage, ob sich Transfrauen nicht als Frauen fühlen würden:
So what? That’s not my issue!
Germaine Greer, 2015 im BBC
Erwachsene Männer in Röcken – die ausgegrenzesten Personen auf der Welt?
Auch finde ich die Aussage von TransaktivistInnen befremdlich – vor dem Hintergrund der weltweit krassen Ungleichbehandlung und Diskriminierung von Frauen und Mädchen –, dass „Transmenschen“ die am meisten ausgegrenzten Personen auf diesem Planeten seien.
Gefühlt mag das Argument richtig sein. Objektiv möchte ich diese Behauptung in Bezug auf erwachsene Transfrauen in Frage stellen. Wenn erwachsene Männer, die ein Leben als Mann mit der entsprechenden Sozialisation hinter sich gebracht haben, sich mit einer weiblichen „Geschlechtsidentität“ outen, machen sie sich vielleicht kritisierbar, aber nicht auf einen Schlag arm und ausgegrenzt.
Geradezu manipulativ finde ich den Vorwurf an Frauen, ihr Hass und ihre Ausgrenzung töteten Transmenschen. Transmenschen sterben nicht an berechtigter Kritik von Frauen am Transgenderkonzept, sondern durch Gewalt. Das Onlineportal Queer, das die weltweite Zahl der jährlichen Opfer von Transfeindlichkeit 2019 auf 331 bezifferte, erwähnt, dass es sich in den meisten Fällen der Opfer um „Transfrauen“ handele und dass viele von ihnen „Sexworker und People of Color seien. Daraus kann man ableiten, dass Prostituierte, gleich ob männlich oder weiblich, und People of Color generell erhöhter Gewalt ausgesetzt sind. Diese Gewalt ist jedoch überwiegend männlich und existiert unabhängig von der Kritik an der Transgenderideologie.
Wer das Transgenderkonzept kritisiert, ist alles mögliche, aber nicht feindlich gegenüber Transmenschen
Als Mitglied von Bündnis 90 / Die Grünen fällt es mir zugegeben schwer, mich gegen das Transgenderkonzept zu positionieren, weil ich mir vorkomme, als würde ich damit all diejenigen diskreditieren, die sich dort schon viel länger als ich für Frauenrechte und LGBTQIA-Rechte einsetzen. Andererseits erfordert der Kampf für Frauenrechte, Vielfalt der Geschlechterrollen und Respekt für Transmenschen kein „Ja“ zu einem frauen- und vielfaltsgefährdenden Transgenderkonzept. Man kann gegen die Diskriminierung von gendernonkonformen Menschen und Transmenschen sein, ohne ihr biologisches Geschlecht zu leugnen und ihren juristischen Status an an eine gefühlte Geschlechtsidentität zu knüpfen.
Möglicherweise ist selbst in linken Kreisen die für Frauenrechte so problematische juristische Hebelwirkung aus der Kombination von Zugang aufgrund von Geschlechtsidentität und selbstbestimmtem Geschlechtseintrags nicht allseits bekannt.
Auch Transmenschen lehnen das Transgenderkonzept ab
Selbst viele Transmenschen lehnen das Konzept der gefühlten Geschlechtsidentität und des selbstbestimmten Geschlechtseintrags ab, weil sie weder das biologische Geschlecht leugnen, noch Frauen und Jugendliche gefährden wollen. Darunter die Transfrau Debbie Hayton oder der Transsexuelle Buck Angel, der sich selbst als transsexuellen Mann mit weiblicher Vergangenheit bezeichnet. Oder die Transfrau Sophie XY auf Twitter .
Frauenanliegen bleiben ungehört
Gegen das Transgenderkonzept als Waffe in einem effektiven gemeinsamen Kampf gegen Diskriminierung spricht noch etwas. Gäbe es eine gemeinsame Front aller Diskriminierten, müsste der Kampf für Frauen- und Lesbenrechte in dem Maße an Fahrt aufnehmen, wie der Kampf für die Rechte der LGBTQI-Community intensiver wird. Das ist nicht der Fall. Weltweit bleiben wichtige Frauen-, Kinder- und Lesbenanliegen weiterhin ungehört.
- Die Stiefkindadoption diskriminiert lesbische Paare nach wie vor
- Sämtliche „Frauenthemen“ von A wie Altersarmut bis Z wie Zwangsprostitution fallen regelmäßig unter den Tisch
- Alleinerziehende stehen seit Jahrzehnten im Regen. Darunter die Frau in Solingen, die fünf ihrer sechs Kinder getötet hat
- Von den Gewaltverbrechen gegen Frauen ganz zu schweigen
- Eine wichtige Erkenntnis, die im neuen Grünen Grundsatzprogramm steht, ist, dass unbezahlte und unterbezahlte Sorgearbeit das Rückgrat unserer Wirtschaft ist. Leider hat sie sich immer noch nicht in entsprechenden Gesetzen niedergeschlagen.
Im Ergebnis sehe ich keine gemeinsame Basis für einen Kampf von Frauen und Befürwortern des Transgenderkonzepts. Aggressive Männer, die von Frauen verlangen, sie als Frauen zu bezeichnen, sind nicht besser als normale aggressive Männer, die Frauen verdrängen und ihnen Gewalt androhen oder antun. Wenn die Rechtsordnung und Gesellschaft es ihnen ermöglichen, setzen sie sich wieder durch. Auf Kosten von Frauen. Wie schon die letzten zweitausendfünfhundert Jahre zuvor. Das muss nicht sein.
*Glossar Misgendern: Zu den Handlungen, die zu den transfeindlichen Vergehen zählen, gehört das „Misgendern“, d.h. die Anrede von „Transmenschen“ ohne Rücksicht auf ihre erklärte „Geschlechtsidentität“. Die Vorstufe zum „Misgendern“ ist das „Misreading“, also das unzutreffende Interpretieren von Äußerem und gefühlter Geschlechtsidentität. Es wäre „Misreading“, einen Mann mit Nagellack als Mann wahrzunehmen, falls er sich als Transfrau identifiziert. Es wäre „Misgendern“, ihn als Mann anzusprechen und von „ihm“ zu reden anstatt von „ihr“.
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